Willkommen

Bei den Leisen Tönen. Manchmal braucht es einen Blog, um sich Luft zum Denken zu verschaffen. Keine Steckenpferde, Hobbies oder sonstiges Spezielles, nur Luft zum Denken.

Kontakt

shhhhtwoday(at)googlemail.com

Aktuelle Beiträge

Astrid Lindgren: Kalle...
Astrid Lindgren: Kalle Blomquist lebt gefährlich, Verlag...
Shhhhh - 28. Mai, 20:30
Fich
mit Michgemüse.
Lo - 2. Jun, 00:20
Er
meinte Fich. ...tennadelsarg. Twodays Beerdigung.
pathologe - 1. Jun, 08:21
Fisch?
Ich riech' nix. ;-)
Lo - 1. Jun, 07:37
Tschüß
...und danke für den Fisch.
Shhhhh - 1. Jun, 06:45

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Gedankeninseln

Montag, 30. September 2013

Wochenende zwischen Dienst und Mahlzeit

Gestern tat ich meinen letzten Dienst am Strandleben für dieses Jahr. Es waren nur zwei Stunden, Gäste hatten wir kaum, dafür aber jede Menge aufzuräumen, weil am Nachmittag doch noch einige das schöne Wetter genutzt und dem Strandleben einen Besuch abgestattet hatten. Davon bekam ich nichts mit, weil ich den Nachmittag im Zoo verbracht hatte und erst am frühen Abend meine Schicht antrat. Da war bereits alles gelaufen.

Alle Menschen, die ihren Tag gestern übrigens nicht am Strandleben verbracht hatten, sind mit ihren Kindern in den Zoo gegangen. Würde der Eindruck nicht ein wenig einseitig daherkommen, müsste ich angesichts der Kinderschwemme im Zoo den demographischen Wandel als ein Schreckgespenst abtun, mit dem uns die Politik nur höhere Rentenbeiträge aus dem Kreuz leiern will, um die nächste Diätenerhöhung finanzieren zu können. Ich aß den halben Zoo leer, hatte ich das Gefühl. Hier noch eine Brezel, da ein Eis, ein paar Nudeln noch und das mitgebrachte Essen musste auch dran glauben. Mein Sohn, dessen Augen noch größer waren als mein Magen, bestellte und ich aß es dann auf, wenn er die Lust verloren hatte.

Der Samstag ist ebenfalls ruhig verlaufen. Die Party am Abend war voll, laut und verraucht und ich war erstaunlich früh, also vor 12, zu Hause. Ich fühlte mich unwohl wegen der ganzen Erdnussflipse, die ich essen musste. Die Schüssel stand direkt da, wo ich mich hingesetzt hatte und ich hörte nicht eher auf, in diese hineinzugreifen, bis sie restlos alle war. Dass ich vorher bereits das vegane Chili con Carne in ausreichender Menge zu mir genommen hatte, hätte ein unbeteiligter Beobachter niemals für möglich gehalten. Davor, keine zwei Stunden her, war ich beim Chinesen und hatte mir zur Feier des Tages eine kleine knusprige Ente mit Reis und Gemüse servieren lassen, die ich im Kreise seiner Familie zu mir nahm. Seine drei Kinder spielten im Gastraum mit Lego, die beiden älteren Kinder schmiedeten und verwarfen Allianzen, während der Jüngste die Roboter, Flugzeuge, Raumschiffe und anderen Ungetüme in Masse produzierte, die dann die älteren unter sich aufteilten.

Wenn wir zwei zusammen kämpfen, können wir doppelt so stark sein, sagte das Mädchen zu ihrem Bruder, und der meinte, das ginge nur, wenn sie ihn dann genau so stark machen würde, wie sie ist. Das machte der Jüngste möglich, weil er gerade ein zusätzliches Gerät entworfen hatte, dass die Flotte gegen ihn erweitern sollte. Der Jüngste blieb dabei völlig gelassen, er selbst hatte eine immense Anzahl von Kriegsgerät vor sich versammelt und in absehbarer Zeit konnte die geschmiedete Allianz der beiden älteren nicht reichen, um ihn auch nur annähernd zu gefährden.

Ich aß die Ente währenddessen, die sich zu der Brezel gesellte, die ich am Strand vertilgt hatte. Denn auch am Samstag hatte ich die Schlussschicht am Strand und da gibt es Brezeln. Es war ein trauriger Dienst, den nicht einmal die Gespräche mit meinem Arbeitskollegen aufheitern konnten. Wir spürten beide, dass es sich wohl demnächst erledigt hat mit dem Strandleben.

Heute Morgen hatte ich zum ersten Mal seit zwei Tagen keinen Hunger, dafür hatte mein Sohn seinen Füßen über Nacht Namen gegeben. Greta hieß sein linker und Balu sein rechter Fuß. Ich überlegte, ob ich ihm sagen sollte, wie mein Bauch heißt, verwarf den Gedanken aber wieder, weil mir etwas Besseres als Balu auch nicht eingefallen wäre, und so hieß ja schon sein Fuß.

Mittwoch, 28. August 2013

16 Minuten

Kurz bevor ich gestern zur Mensa fahren wollte, ich war gerade in Begriff die Wäsche auf den Dachboden zu bringen, kam mir eine völlig abstruse Idee. Anstatt mit dem Fahrrad zu fahren, wie es meiner Gewohnheit und auch den Verkehrsverhältnissen entspricht, wollte ich mit dem Auto dort hinkommen. Dazu muss ich sagen, der Weg zur Mensa ist mit dem Auto ungefähr so bequem wie ein Sessellift bergab: entweder über den Westschnellweg und mit dem Risiko eines Staus verbunden oder quer durch die Stadt, was ebenfalls sehr lang dauern kann. Mit dem Fahrrad brauche ich bei entspannter Fahrweise ca. 10 Minuten.

Ich weiß nicht, woran es gelegen hat, vielleicht an den Stufen zum Dachboden hinauf, jedenfalls huschte dieser Gedanke in meinem Kopf herum. Eine fixe Idee, mehr noch ein ganzes Gedankenkonglomerat, denn mit dem Wunsch Auto zu fahren, muss unweigerlich auch eine Rechtfertigung dafür mitgedacht werden. Meine Frau hat sich nämlich kurz vorher zu Fuß auf den Weg gemacht, weil sie 1. länger braucht, 2. ich die Wäsche aufhängen sollte und 3. sie danach mit der Straßenbahn noch irgendwohin wollte. Führe ich jetzt mit dem Auto, dann hätte ich sie 1. mitnehmen können, 2. nicht so antreiben müssen ( wir waren und sind eigentlich immer zu spät dran ) und 3. einen Disput über den Nutzen und Unsinn solcher Autofahrten riskiert, bei dem ich definitiv die schlechteren Argumente gehabt hätte.

Und so gebar ich die Idee, mit der ins Schloss fallenden Tür. Ich hätte lediglich den Schlüssel zum Dachboden dabei gehabt, würde ich sagen, ging die Wäsche aufhängen und auf dem Rückweg bzw. direkt vor der Wohnungstür stehend bemerkte ich meinen Fehler. Nach nochmaligem Kramen in meinen Hosentaschen wäre mir aufgefallen, dass ich statt meines Wohnungsschlüssels, an dem auch der Fahrradschlossschlüssel angebracht ist, den Autoschlüssel zufällig in der linken Hosentasche bei mir trug. Was für ein glücklicher Zufall. Ich würde den Stau in Kauf nehmen und mich bequem mit dem Auto auf den Weg zur Mensa machen und alles wäre erklärt. Dort würde ich den Wohnungsschlüssel meiner Frau nehmen, den sie danach nicht gebraucht hätte auf ihren Besorgungen und wenn wir uns spät nachmittags wieder getroffen hätten, wäre alles in Butter gewesen.

Das alles war natürlich ganz großer Unsinn, lenkte mich aber genügend von dem beschwerlichen Weg nach oben ab. Ich hängte die Wäsche auf, ging wieder runter, packte meine Sachen zusammen und fuhr mit dem Fahrrad zur Mensa. Ich kam 6 Minuten zu spät. Niemand unserer Verabredungen war bereits da, außer meiner Frau, die stand dort schon und wartete. Als ich das Fahrrad gerade anschließen wollte, kam sie zu mir gerannt und hinderte mich daran. Sie rief, nein, das ginge nicht, ich müsste noch einmal zurückfahren. Sie hatte ihr Portemonnaie im Auto vergessen, da wären die Mensakarten drin, ihr Geld und das Wichtigste: ihr Studentenausweis, ohne den sie nicht Bahn fahren könne, was sie nach der Mensa aber müsse. Also schwang ich mich wieder auf das Rad, kehrte der Mensa den Rücken und fuhr zurück. Im Auto lag in der Mittelkonsole ihre Geldbörse mit all den beschriebenen Sachen drin. Ich nahm sie heraus und mit und fuhr wieder zur Mensa. Ich brauchte insgesamt ca. 16 Minuten für alle drei Strecken.

Mittwoch, 14. August 2013

Zu früh aufgestanden, zu spät ins Bett gegangen

Warum heißt es eigentlich bei „Einbruch der Nacht bzw. Dunkelheit“ aber bei „Tagesanbruch“? Haben Sie eine Idee?

Wussten Sie, dass anders als heute üblich der Tag früher über die Nacht definiert wurde? Eine Nacht ging somit von Sonnenuntergang zu Sonnenuntergang und umfasste den Tag und die Nacht gleichermaßen, während der Tag nur als Zeit zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang definiert war. Es hat also eine Drehung der Verhältnisse stattgefunden. Was früher als Nacht den Tag mit einschloss, schließt heute als Tag die Nacht mit ein.

Montag, 12. August 2013

Die kurze Nacht zum Mittag

Es gibt ein paar Begebenheiten im Leben, die werden erst so richtig wichtig, wenn man schon gar nicht mehr an sie gedacht hat. Dann schmiegen sie sich wie ein Schatten zur Mittagszeit ganz eng an die Körpermitte und verharren da, als würden sie dazugehören. Mittag ist dabei übrigens mehr als nur ein Stichwort. Zur Mittagszeit hieß es im Haus meiner Eltern, Ruhe zu bewahren. Ruhe im Sinne von Mittagsruhe. Ich erinnere mich an so manchen Mittagsschlaf, den ich auszubaden hatte, obwohl ich überhaupt nicht müde war. Ich lag dann häufig auf einem Sofa herum und starrte in das Bücherregal meiner Eltern. „Die Beatles – Ihr Leben und ihre Lieder“ konnte ich damals auf dem Buchrücken lesen oder „Amanda – Ein Hexenroman“. Bei den Beatles habe ich lange Zeit nicht gewusst, worum es ging, schließlich war es mir zwar nicht verboten, während des Mittagsschlafes die Buchrücken zu lesen, ein Buch herauszunehmen aus dem Regal, kam mir deshalb aber nicht in den Sinn. Außerdem war ich noch halber Analphabet, ich konnte geradeso lesen und las deshalb: „Die Be-at-les“, ich fragte mich oft, wer die Be-at-les wohl gewesen sein mussten, kurz ich hatte keine Ahnung.

Zu meiner Kindheit musste ich bis in die erste Klasse hinein Mittagsschlaf halten. Ich war so froh, als es nur wenig später nach meiner Einschulung hieß, meine Mutter holt mich vor dem Mittagsschlaf aus der Schule heraus. Meine Mutter war zu dieser Zeit zu Hause, weil mein Bruder kurz zuvor geboren wurde. Das ersparte mir die Mittagsruhe nicht, bedeutete aber keine halbe Stunde auf einer Holzpritsche mit Minimalbedeckung (Matratze konnte man den Lappen nicht nennen) im kalten Keller der Clara Zetkin Schule. Und ich hatte noch Glück, ich lag in der Nähe des Fensters und konnte manchmal einen Blick auf die Beine von Vorübergehenden erhaschen, Schritte zählen und mir ausmalen, wohin sie gingen, die Beine. Frau Skroplin unsere Hortnerin war zwar alt und milde, aber beim Mittagsschlaf kannte sie kein Pardon. „Augen zu!“, zischte sie, wenn sie uns beim Kiebitzen erwischte. Ich hielt mir immer die gefalteten Hände vor das Gesicht und lugte durch die Finger hindurch. Keine Regung ließ ich erkennen außer den perfekt einstudierten, regelmäßigen Atem. An ihre leicht gräuliche Dauerwellenfrisur und an ihr Kürzel in unseren Hausaufgabenheften kann ich mich noch erinnern. Sie unterschrieb immer mit „Skr“ und hätte ich damals gewusst, dass es ein Wort wie „obszön“ gibt, ich hätte mich für dieses Wort entschieden beim Anblick ihrer Unterschrift. Eigentlich war sie aber eine furchtbar nette Person und als ich dann zum „Heimschläfer“ wurde, bekam ich auch nur noch ihre netten Seiten zu Gesicht.

Als ich alt genug war, die Mittagsruhe nicht mehr liegend zu verbringen kam mir der Zeitverlauf natürlich noch quälender vor als sonst. Schließlich passierte es zu Zeiten des verordneten Mittagsschlafes nicht selten, dass ich trotzdem einschlief und die Zeit viel schneller verging als im Wachzustand. Ich machte mir anfangs zunutze, dass mein Vater auf fast alles mit „ja“ antwortete, wenn er während des Mittagsschlafes seine Ruhe haben wollte. Das ging so lange gut, bis ich ihn einmal gefragt habe, ob ich ins Schwimmbad gehen darf. Ich ging mit meiner Schwester hin und unsere Mutter suchte uns überall. Mein Vater konnte sich natürlich an nichts erinnern, erst recht nicht, uns das erlaubt zu haben. Aber mein Vater lernte im Schlaf, er antwortete von da an nur noch mit „nein“, wenn ich ihn etwas fragte.

Und gestern war Sonntag, Mittagszeit. Es wurde eine Waschmaschine angeliefert, über uns wurden Dielen geschliffen, vom Fenster drang laute Musik herein und ich sehnte mich zurück in das Wohnzimmer meiner Eltern. Ich hätte sogar mit dem kalten Keller vorliebgenommen für eine halbe Stunde Ruhe. Ich schlief trotzdem ein, so müde war ich.

Dienstag, 30. Juli 2013

Nachricht aus der Zukunft

Ich saß gerade im Zug nach Wismar, als ich nach gefühlten 5 Minuten wieder auf mein Handy sah. Ich weiß, dass kaum eine Minute vergangen war, seit meinem Blick auf das Display, aber gefühlt müssen es fünf gewesen sein. Ich schaltete dafür nur ganz kurz die Tastensperre aus, betrachtete die Uhrzeit, löste die Tastensperre erneut aus und steckte das Handy wieder weg.

Und weil ich in dem Moment, wo ich die Uhrzeit sah, vergaß, was ich überhaupt machen wollte, wiederholte ich das Spielchen nach gefühlten 5 Minuten noch einmal, obwohl es eigentlich nur Sekunden waren. Ich habe ein Faible für Zeitanzeigen. Ich kann ständig drauf gucken, weil ich sofort wieder vergesse, was ich gelesen habe. Ich merke mir einfach nicht, was ich von der Zeitanzeige ablese, weil ich ja einfach wieder drauf gucken könnte, wenn es mich wirklich interessiert. Und so gucke ich ständig auf mein Handy, auf Uhren an Apotheken, auf anderer Leute Armbanduhren, auf meine Backofenuhr, auf die Küchenuhr von Kienzle, auf die Küchenwaage, die auch eine Uhr hat und so weiter.

Früher, als ich noch eine Armbanduhr hatte und ein Sklave der geregelten Arbeitszeit, habe ich meine Uhr immer ein paar Minuten vorgestellt, damit ich auch ja nicht zu spät komme. Anfangs waren es drei Minuten, später mehr Minuten und bei mehr als zehn Minuten habe ich dann aufgehört und mir gesagt, das sei alles Quatsch. Ich kam nie zu spät.

Meine Uhr im Handy geht zwei Minuten nach. Das weiß ich mittlerweile aus ziemlich sicherer Quelle: aus der Zukunft. Als ich nämlich in diesem Zug saß und das dritte Mal auf mein Handy schauen wollte, hatte es kurz zuvor gebrummt, wie es immer brummt, wenn ich eine SMS empfange oder mein Akku alle ist. Der Akku war frisch aufgeladen, es musste eine SMS sein. Ich sah auf mein Handy, es war 14:03 Uhr und ich war sehr enttäuscht geworden sein, weil ich einen Anruf verpasst werde haben um 14:05 Uhr, was mir eine SMS mitgeteilt hatte.

Da kriegt man eine Nachricht aus der Zukunft und die besagt, man hätte einen Anruf verpasst, der noch gar nicht stattgefunden hat. So ein Mist.

Freitag, 12. Juli 2013

Etymologische Synchronizitäten

Gestern war ich hinter dem Schloss, das ja bekanntlich das Hauptgebäude der Universität Hannover darstellt, zu einer kleinen Sause. Es gab Bühnen, Getränke und allerlei Quatsch, den man mitmachen konnte. Unter anderem gab es einen elektrisch-mechanischen Torwart, der alle Bälle hielt, die man ihm zukommen ließ, egal wie schnell, egal wie langsam und, fast, egal wohin; genau links oder rechts oben in die Ecke des Tores reichte der Torwart nicht hinein, nur dort konnte der Ball versenkt werden.

In puncto Getränke habe ich einen völlig verhunzten Wodka genossen, es waren Chilischoten darin eingelegt. Allerdings gab es am gleichen Stand ein Getränk, auf das ich viel eher scharf war: Kwas. Ich kostete auch den und war enttäuscht. Leider zuviel Zucker und zu wenig Geschmack. Und auf meine Frage hin, was den Borodinski Kwass, also insbesondere Borodinski bedeutete, gab es keinerlei Auskunft über Geschmacksrichtung oder Ausrichtung. Wenn es keine Cola gäbe, hätte ich dem Getränk hervorragende Absatzmöglichkeiten attestiert.

Dienstag, 9. Juli 2013

Randnotiz in einem absurden Roman

Im Schein der Abendsonne wurde es offenbar:

ich las in einem Buch, die Seiten aus Tapete.

Samstag, 6. Juli 2013

Nadelfadenkommando

Als ich neulich nach dem Heruntertragen einer Waschmaschine aus dem vierten Stock auf meine Hose schaute, bemerkte ich, dass sich zwischen meinen Beinen ein Riss auftat. Die Hose war der Anstrengung nicht gewachsen und hatte an sensibler Stelle nachgegeben. Ich befand mich auch gerade am Anfang des Umzugs, so dass ich nicht mal eben verschwinden konnte, um mich umzuziehen. Das klingt gerade bei solchen Anlässen ebenso fadenscheinig wie es mein Beinkleid an genannter Stelle war, kurz bevor es zerriss. Stattdessen dachte ich an eine Telefonnummer, die ich nicht hatte.

Gehen wir noch ein kleines Stückchen in der Zeit zurück und besuchen nur ganz kurz das geographische Wunder von Linden Nord, den Kötnerholzweg. Der Kötnerholzweg verläuft einmal quer durch den Stadtteil und verhält sich ungefähr so wie eine Linie bei Kandinsky. Sie schneidet fast jede Querstraße in einem spitzen oder weiten Winkel, je nach Perspektive, aber nie in einem rechten. Nun gibt es auf dem Kötnerholzweg neben ein paar Kneipen, Kiosken, einem Fischgeschäft, einem Elektriker und kleineren Klamottenläden auch eine Änderungsschneiderei. Diese befindet sich, je nach Perspektive, im oberen bzw. unteren Abschnitt auf der linken bzw. rechten Seite der Straße.

Schon vor geraumer Zeit fiel mir auf, dass diese kleine Änderungsschneiderei niemals geöffnet ist. Und als ich mit ein wenig Zeit bewaffnet daran vorübergehen wollte, blieb ich stattdessen stehen und widmete mich der Auslage. Diese besteht nach wie vor aus einem zugehängten Schaufenster und einer ebenso zugehängten Tür. Je nach Perspektive kann niemand hinein bzw. hinausgucken. Dafür kleben jedoch zwei Zettel an der Tür. Auf einem sind die Öffnungszeiten abgedruckt und auf einem zweiten steht, dass derzeit wegen Krankheit geschlossen sei. In Notfällen könne allerdings jemand erreicht werden unter der hier abgedruckten Telefonnummer.

Ich hatte die Telefonnummernatürlich nicht notiert. Ich hatte, als ich vor dem Geschäft stand, innerlich geschmunzelt, weil mir partout kein Notfall einfallen wollte, weswegen ich eine Änderungsschneiderei anrufen muss. Und jetzt stand ich mit Luft im Schritt unten beim Transporter und dachte an diese Telefonnummer. Wäre das ein Notfall? Kommt jetzt gleich ein Nadelfadenkommando mit Blaulicht um die Ecke und näht mir meine Hose zu, wenn ich die Nummer anrufe? Bräuchte ich mich ja gar nicht zu fragen, eigentlich, ich habe ja die Nummer nicht.

Donnerstag, 6. Juni 2013

Der Tisch im Zirkel - eine kleine Denkaufgabe

Es folgen vier unterschiedliche Beschreibungen ein und desselben Tisches, die sich durch ihre jeweiligen Blickwinkel und Verfasser voneinander unterscheiden. Jede der gemachten Aussagen ist wahr. Die Textentstehung war folgendermaßen reglementiert: Schreibe mit maximal 200 Wörtern innerhalb von maximal 3 Sätzen auf, was dir zu diesem Tisch einfällt. Der Tisch stand vor uns, wir saßen in lockerer Runde um ihn herum und hatten jeder ein Blatt Papier und einen Stift erhalten.

Shhhhh: 3 Sätze, 48 Wörter
Auf dem Tisch stehen mein volles Bier, mein leeres Bier und weitere Biere. Der Tisch ist viereckig, verfügt über vier Beine und zwei Ablageflächen, die übereinander angeordnet sind. Die Höhe des Tisches lässt eine Benutzung als Esstisch nur bedingt zu, er dient eher der Ablage innerhalb eines Sitzgruppenensembles.

Trithemius: 3 Sätze, 43 Wörter
Die Tischfläche ist quadratisch, darauf stehen 9 leere, bzw. halbleere Bierflaschen. Wie tief der Tisch gegründet ist mit seinen vier brettartigen Stumpen, weiß ich nicht. Eventuell durchstoßen sie das Laminat, die untere Wohnung wie senkrechte Säulen und ragen tief in die Erde hinein.

Herr Putzig: 3 Sätze, 60 Wörter
Der Tisch ist schon sehr alt, er stand schon in meiner Langzeit-WG in der Lenaustraße. Er gehörte meiner ersten und zweiten Mitbewohnerin Peggy und stand jahrelang im Wohnzimmer. An den Ecken ist der ganze Schmutz der letzten Jahre, den ich sehr eklig finde und manchmal versuche abzuwischen, was mir jedoch nicht immer gelingt – der Schmutz ist schon sehr alt.

Filipe d'Accord: 3 Sätze, 38 Wörter
Herr Putzig hat einen eckigen Wohnzimmertisch aus Holz mit einer Hauptebene und einer Unterebene. In der Unterebene liegen Süßigkeiten fürs Kiffen und anderer Kram. Auf der Ebene oben stehen mehrere Bierflaschen, leere und volle, Aschenbecher und weitere Kleinteile.

Nun da wir uns den Tisch bildlich vorstellen können, wäre es mir sehr recht, wenn wir gemeinsam ein paar Informationen zusammentragen. Diese Informationen sollen anhand von Fragen ermittelt und sogleich beantwortet werden. Ich gebe dazu ein Beispiel:

Wer ist der Gastgeber? Herr Putzig, weil er in Text 4 als Besitzer genannt wird und in Text 3 selbst von diesem Tisch spricht, als wäre es sein eigener.

So abwegig die Information auch ist, scheuen Sie sich nicht, mithilfe der Texte eine Wirklichkeit darum zu konstruieren. Sie kann der wirklichen Wirklichkeit kaum widersprechen, denn es ist Ihre eigene, ganz so wie die Beschreibungen den jeweiligen Autoren gehört. Nur einen Beweis sollten Sie erbringen und er sollte natürlich in den Texten zu finden sein.

edit: Natürlich kann der gesamte Text für die Spekulationen genutzt werden. Ich tat dies im Beispiel ja ebenfalls, indem ich voraussetzte, dass der Tisch, um den wir saßen, bei jemandem zu Hause steht und wir dessen Gäste sind.

Samstag, 25. Mai 2013

Der Tod stinkte mir

Eine besonders merkwürdige Facette des Todes ist sein Gestank, mal abgesehen vom Toten selbst, der vielleicht ganz andere Probleme hatte. Der Tod macht etwas mit den Lebenden, es findet plötzlich eine Verdrängung der Umstände statt, die sich nicht nur sich selbst gegenüber beschwichtigend äußern kann: Gestank durch Tod ist dann nämlich selten Tod, da stinkt zum Beispiel lieber etwas anderes. In unserem Fall war es Güllegeruch von frisch gedüngten Feldern, weil das Fenster offen war. Ich wusste es besser und sagte dazu nichts. Ich schaltete stattdessen die Klimaanlage im Auto aus und öffnete meinerseits ebenfalls das Fenster. Wir fuhren nach Haus.

Später, ich befand mich vor dem Haus, wo die Person wohnte, deren Auto wir uns geliehen hatten, erinnerte ich mich des Gestanks. Ich ging zum längst geparkten, abgeschlossenen Auto zurück, öffnete die Motorhaube und steckte meine Nase in Angelegenheiten. Schnell war der Geruchsherd ausgemacht. Es war ein kleiner Vogel, der, tot, in einer Ecke lag und stank. Stinken ist ein starkes Verb: stinken, stank, gestunken. Das ist auch ein ziemlich starkes Indiz dafür, wie uns die Nase umtreibt. Jedenfalls, der Vogel stank erbärmlich. Er lag eingekeilt neben dem Eingang der Lüftung. Ich entfernte ihn mit einem Stock und ging nach getaner Arbeit zurück zur Haustür, wo ich den Schlüssel in den Briefkasten werfen sollte.

Als ich da so stand, sah ich mich um nach jemandem, der womöglich einen Schlüssel für die Haustür besitzen könnte. Es ist mir immer sehr unangenehm irgendwo klingeln zu müssen, um in einen Hausflur zu kommen, denn die Person, in deren Briefkasten der Autoschlüssel gehörte war nicht da; der Briefkasten aber war im Hausflur an der Wand befestigt. Ich öffnete mein mitgebrachtes Bier, was ich mir für den Fußweg heimwärts mitgebracht hatte, da sprach es plötzlich hinter mir: „Alkohol tötet.“ Er maß nur einen Meter, war aber ganz Empörung. Leben tötet, dachte ich. In seinem Haus, diesem Haus, sei ein Mann gestorben letzte Woche, weil er zu viel Bier getrunken hatte. Werd‘ du erst mal so alt wie ich, dachte ich, dann reden wir noch mal. Ich ignorierte ihn weitestgehend, war aber froh, dass er die Tür aufschloss und mich den Autoschlüssel in den Briefkasten versenken ließ. Nur wenige Tage später erfuhr ich dann die Geschichte des toten Mannes in diesem Haus. 3 Wochen lang merkte niemand etwas, bis auf den Gestank. Der Gestank führte dann auch zum Auffinden der Leiche. Wenn ich mal tot bin, möchte ich auch ordentlich stinken.

Suche

 

Status

Online seit 5324 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 24. Jul, 02:02

Credits


xml version of this page
xml version of this page (summary)
xml version of this page (with comments)
xml version of this topic

twoday.net AGB

Blogverzeichnis Creative Commons Lizenzvertrag
Shhhhh.

Alles nur Theater
Auf Spatzen geschossen
Auslaufmodell Buch
Den Ball gespielt
Der alltägliche K(r)ampf
Die kleine Form
Gedankeninseln
Geldregierung Arbeitsplatz
Gelegenheitslyrik
HaCK
Herr Fischer
Klassenraum
Links
Mensagespräche
Nichts Spezielles
Ohne Brille
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren
development