Der alltägliche K(r)ampf
Gerade hatte ich mich von einem Unglück erholt, da stürzte das nächste über mich herein: diesmal in Form eines Stück Zahns, das sich zwischen ein paar Chipskrümel mischte und mir das Kauen erschwerte. Ich rief also bei meiner Zahnärztin an und machte in den folgenden Tagen einen Termin zur Rettung des Rests.
Doch wer zur Hölle ist Ambrose? Ambrose Bierce ist ein ziemlich zynischer Autor des 19. Jahrhunderts, der, als es an der Zeit war, das Weite suchte und seitdem entweder tot oder lebendig in den Köpfen der Leute herumspukt. Ich bevorzuge die tote Variante aber so richtig weiß das niemand und bei dem morbiden Zeug, was der so schreibt, ist alles möglich.
Ambrose begleitete mich also in der Straßenbahn in Richtung Zahnarztpraxis. Wer schon einmal von der These gehört hat, dass Ereignisse größter Agonie in ihrer Dauer auf Jahre gestreckt werden können, obwohl sie eigentlich nur Sekunden andauern, der findet einen schlüssigen Beweis dafür in der Geschichte "Die Brücke über den Eulenfluß". Sie handelt von solch einem Moment: Der Todgeweihte auf der Brücke wird zwischen die Planken der Eisenbahnbrücke gestoßen, die Schlinge um seinen Hals zieht sich zu, in der Vorstellung das Seil risse, fällt er in den reißenden Fluß, bekommt einen Haufen Kugeln um die Ohren, die seine Henker ihm hinterherschicken, er taucht durch die finstere Brühe, dann folgen Kanonenschläge, die rettende Flußbiegung erscheint, unser Held verschwindet dahinter, er taucht aus dem Wasser und beginnt zu rennen, er läuft wie in Trance nach Hause, erscheint nach langer Reise am Torweg seiner Farm, seine Frau wartet an der Haustür auf ihn, er läuft auf sie zu und knack! das Genick bricht, der Gehängte ist tot.
Was für eine Geschichte! Und ich bin auf dem Weg zum Zahnarzt. Auf so eine Lektüre kann nur ich kommen.
Ich steige also aus in Erwartung von Höllenqualen und was müssen meine Augen sehen, als ich in Richtung Ärztehaus einbiege? Daneben steht eine Kneipe mit sehr unpassendem Namen. Na klar, die Kneipe heißt Dolores Treff.
Im Wartezimmer habe ich noch Zeit zum Lesen aber keine Lust mehr. So harre ich der Dinge, die da kommen. Ich habe längst kapituliert, bei solch bösen Vorzeichen. Und dann gehts ganz schnell, rauf auf Stuhl, Spritze rein, gebohrt, Loch zu, Glückwunsch, war nicht schlimm, aufstehen, bedanken und gehen, fertig.
Schneller konnte ich das jetzt wirklich nicht schreiben.
Das Licht des Aquariums ist morgens mein Wecker, seit die Zeitumstellung den Weltuntergang wieder um eine Stunde zurückverlegt hat. Ich versuche seitdem – meist erfolglos – den früheren Morgenstunden etwas Sinnvolles abzugewinnen. Das ist nie leicht, im Dunkeln auch nicht, und im Schein der Aquariumlampe bleibt mir nur, mit dem Licht aufzustehen, hinüberzuschlurfen, die Fische blöd anzuglotzen und grüne Krümel durch die Öffnung im Deckel herunterzustreuen.
Die Fische können ja nichts dafür. Niemand außer mir selbst weckt sie so, wie sie mich wecken: die Lampe trennt die Nacht vom Tag, plötzlich ist es hell, es gilt herumzuschwimmen, nach Futter Ausschau zu halten und bei Bewegung außerhalb des Beckens in Richtung Wasserkante zu schwimmen, um ein paar grüne Krümel abzubekommen. Die Uhrzeit ist dabei doch Nebensache. Licht an heißt Hunger an, Schwimmen an; Licht aus heißt Hunger aus, Schwimmen aus, wir sinken gemeinsam zu Boden und lassen uns vom sanften Strom der Pumpe in die hintere Ecke spülen, wo der kleine Lichtkegel des Aquariumheizkörpers alle paar Stunden die Dunkelheit durchbricht und signalisiert, dass es noch Leben gibt am Rand. Es läuft fast alles automatisch.
Die Zeitschaltuhr für das Licht ist nicht das Geheimnis meines verschlafenen Gesichts, es ist die Ursache. Seit Wochen schon ist es dunkel im großen Becken, wenn im Kleinen das Licht angeht. Seit Wochen denke ich, dass ich die Uhr umstellen könnte für eine Stunde mehr Schlaf am Morgen. Oder die Tür schließen, eine Decke drüber hängen. Aber so einfach ist das nicht. Ich bin der Fische Gott. Ich bin ihr Ungetüm. Der Heilsbringer, dem sie huldigen, der heranschlurft, wenn das Licht angeht, ich bin immer da ( naja, fast immer ). Ich streue das Futter ins Becken, für mich wird unter der Wasseroberfläche getanzt, geschwommen, verrenkt und gedrängelt. Für ein paar Flakes im hellen Schein der Neonröhre. Zack und Sidi sind schon wieder in die Filter geschwommen, ich hole sie raus, rette sie.
Das große Licht von draußen dringt durch den Nebel, es wird Zeit dem ganz Großen zu huldigen, Zeit für ein paar Flakes, eine Mundspülung, Umgangsformen.
Gestern Abend war noch alles in Ordnung, bei meiner Nachbarin geklingelt, ihr von ihrem Schlüssel berichtet, der von außen im Schloss hing, sie leicht beschwipst und gut aufgelegt sich bei mir bedankt, Ende.
Heute Mittag, ich komme vom Theater, da kommt mir ein fliehender Holländer entgegen mit großen Kisten und ohne Hallo. Ich spreche aber auch kein Holländisch. Ich halte die Tür auf, er geht ab. Oben steht die Nachbarin und weint ins Telefon, nur ein kurzes Hallo, wegdrehen, Tür zu, Schlüssel steckt von innen.
Habe ihr eben ein Stück Schokoladenkuchen gebracht, denn zu einer schlechten Nachricht gehört auch immer eine gute.
Schlechte Nachrichten erreichen uns über alle Kanäle. Gute Nachrichten erreichen mich seltener - am seltensten per Post. Vielleicht ist die Anzahl guter Nachrichten, die per Post verschickt werden können, aus unerfindlichen Gründen beschränkt. Womöglich haben findige Postbeamte aus der guten alten Zeit eine Quote festgelegt, die besagt, dass von 100 verschickten Briefen ganze 10 Briefe mit einer guten Nachricht angefüllt werden müssen. Keine gute Quote aber in Zeiten ganz anderer Kommunikationswege immer noch ausreichend.
Nun ist die gute alte Zeit bekanntlich vorbei. Ich warte seit Wochen auf eine Nachricht von meiner Uni und ich warte natürlich auf eine gute Nachricht. Am Mittwoch bin ich persönlich vor Ort und will wissen, ob meine Benachrichtigung denn vielleicht verschütt gegangen sei. Nein, die komme ganz bestimmt, wird mir gesagt. Ob sie vielleicht persönlich vorsprechen könne, bei ihrer Kollegin? Na klar, kein Problem, sie ruft an und bestellt gleich noch einen Kaffee bei der Gelegenheit. Doch leider nichts, keine Post für mich, kein Bescheid, ich müsse mich weiter gedulden. Die Dame vor mir am Schalter lächelt verzeihend. 7 Mitarbeiter, 20.000 Bewerbungen, mehr als dieser Anruf ist nicht drin. Ich bin geduldig, lächle verstehend und gehe meiner Wege.
Ich wartete vergebens. Die Nachricht kam heute und war eine schlechte Nachricht. Sie fordert nunmehr weiteren Briefverkehr heraus. Ich muss Widerspruch einlegen, mich mit Prüfungs-, Immatrikulations- und anderen -ämtern in Verbindung setzen, mich höchstwahrscheinlich an oberster Stelle beschwerden - nicht ohne vorher durch alle Instanzen zu gehen - um dann endlich - wahrscheinlich am Ende des Semesters - die gute Nachricht zu bekommen, die mir dann auch egal sein kann.
Womöglich werden dafür mehr als 10 Briefe nötig sein. Womöglich muss ich mein Kontingent an schlechten Nachrichten überstrapazieren oder - was viel schlimmer wäre, denn es beträfe ja alle - meine vorhin so leichtfertig angebrachte Quote der guten Nachrichten, die per Brief übersandt werden, noch einmal überdenken. Vielleicht sollte ich umsteigen auf andere Kommunikationswege? Email zum Beispiel. Wer ein Emailkonto hat, hat einen ganzen Haufen guter Nachrichten im Postfach. Wie oft war ich da schon ein Gewinner, wie oft hätte ich schon von Sparangeboten, Schnäppchen, besonders gut kalkulierten persönlichen Angeboten profitieren können? Nur da, wo ich sowieso schon Geld bezahle, da sind gute Nachrichten eben nicht selbstverständlich. Da kann ich der Post natürlich keinen Vorwurf machen, und der Uni schon gar nicht.
Gut, dass ich heute auch eine gute Nachricht erhalten hatte. Die kam übrigens zur Sprache, dem wohl direktesten aller Kommunikationswege. Ich bekam eine Karte überreicht, ein gutes Wort mit auf den Weg mit der gutmütigen Aufforderung, von der Telefonnummer auf dem Kärtchen Gebrauch zu machen und demnächst einmal anzurufen.
Der Endspurt im Sommersemester 2011 beinhaltet die grundsätzliche Bereitschaft, sich an bestimmten Tagen zu einer bestimmten Uhrzeit in ein bestimmtes System einzuloggen um dort bestimmte Seminare und Vorlesungen in den persönlichen Terminkalender eintragen zu können. Natürlich ist der Andrang groß, häufig ist der Andrang sogar so groß, dass gefühlte Lichtjahre zwischen Auswahl, Einwahl und Platzvergabe vergehen. Aber, was wir alle schon längst ahnten und seit ein paar Tagen auch Realität zu scheint, die Bewegung schneller als das Licht ist möglich. So habe ich in unglaublichen 25 Minuten meinen persönlichen Rekord aufgestellt und bin in 4 Veranstaltungen zugelassen. Zugelassen! Nicht auf einem Wartelistenplatz! Nicht nur als unmündiger Leser! Nein, als vollwertiges Mitglied in die Veranstaltung eingetragen. Nur ein Schritt fehlt jetzt noch für die erfolgreiche Absolvenz: ich muss am Beginn der jeweiligen Veranstaltung zugegen sein, um meine Teilnahme gegen alle anderen ( Wartelistenheinis, Losverfahrenplatzerschleicher und die schlimmsten von allen: Ichbeschweremichsolautstarkdassichsowiesoeinenplatzbekomme-Typen ) zu behaupten.
Das gleiche Prozedere droht mir am 05.10. nocheinmal, wenn der andere Block an Veranstaltungen freigeschaltet wird, bis dahin kann ich aber gelassen nach vorn blicken, denn ich bin für dieses Semester schon gut bedient.
Achja, ein paar Klausuren, Hausarbeiten, Referate fallen natürlich auch noch dabei ab aber gegen das Anmeldeverfahren sind diese "Herausforderungen" ja ein Quarks.
Als ich gestern Abend aus dem Fenster schaute, staunte ich nicht schlecht, ich amüsierte mich sogar köstlich. Da versuchten zwei junge Männer, einer draußen auf dem Gehweg und der andere im Wagen, einzuparken. Nach Anweisung und langem Hin und Her stand das Auto dann endlich in der besagten Lücke, die für das wahrscheinlich geliehene Gefährt - ein Transporter - doch ziemlich groß war. Die Lösung bestand auch nur kurz, denn der junge Mann drehte sich um und sah, dass hinter ihm eine Toreinfahrt war. Darauf stand zwar nicht explizit, man solle hier nicht parken aber besser als abschleppen wäre wohl ein erneutes Umparken. Also los.
Die anderen Lücken waren nicht groß genug, man entschied, dass der Bordstein selbst vor der Ausfahrt so hoch war, dass es keinen Unterschied machen würde, wenn der Fahrer ein klein wenig nach rechts auswiche beim Verlassen der Ausfahrt. Das Auto wurde also möglichst dicht an den Vordermann geparkt, der hatte ja noch Platz nach vorn. Der Platz dahinter reichte immer noch nicht. Da stand ein Pfeiler und an dem Pfeiler ein Rad, längs zur Fahrbahn. Warum also das Rad nicht quer zur Fahrbahn stellen. Passt.
Die beiden feiern sich und rauchen eine. Dann das Unfassbare, der Parkplatz hinter den beiden wird frei, am Abend zu so später Stunde ist das in unserem Viertel wie ein Sechser, naja Fünfer im Lotto. Die beiden machen sich also bereit, denn die Lücke auf dieser Seite der Ausfahrt ist groß genug, ohne das Fahrrad mit dem Vorderrad gefährlich nah zur Straße hin zu stellen. Das Rad wird wieder in Ausgangsposition justiert, der Motor angeworfen, Rückwärtsgang rein und ab. Passt noch besser.
Gerade ausgestiegen fällt dem Einweiser ein Schild hinter dem Wagen auf, das auf einem dieser provisorischen Ständer aufgepflockt ist. Er geht also hin, während der andere aus dem Wagen steigt. "Halteverbot, die bauen hier morgen", höre ich hier oben. Der Film war zu Ende, es wurde auch langsam kalt draußen.
Diese Form der Arbeit - ob nun innerhalb oder außerhalb des Seminars, sprich zu Hause - ist die wohl beschissenste Arbeitsteilung, wo gibt. Mit sich und den anderen kann man da nie zufrieden sein, denn man selbst möchte ja so wenig wie möglich machen und trotzdem am Ende gut aussehen.
Da ich in diesem Seminar eigentlich nur Statist bin, weder Punkte erarbeiten kann noch muss, ist es für mich nicht selbstverständlich, mich an einer solchen Gruppenarbeit zu beteiligen. Für einen meiner Lieblingsdozenten mache ich das aber. Ist auch nicht weiter schwierig. Wir sind zu fünft. Es gibt 4 Texte zu lesen, jeder liest alle, jeder macht zu einem eine kurze Zusammenfassung und ich gestalte das gemeinsame Handout und sorge für die Kopien für das Seminar.
Deadlines sind natürlich immer so eine Sache und egal wie locker oder strikt man das Ganze handhabt, es wird ja doch nicht eingehalten. Also dachte ich mir, egal. Wenn ich bis Sonntag Nacht 24.00 Uhr ( Montag ist die Präsentation ) die Notizen von allen habe, reicht das. Ich stehe ja sowieso gegen 4.00 Uhr auf, da kann ich mich auch morgens noch einmal hinsetzen und ein paar Formatierungen vornehmen. Wegen einer anderen Sache, sah ich gestern Abend bereits in meinem Postfach nach und stellte mit Wohlwollen fest, dass ich bereits zwei Mails bekommen hatte. Heute morgen dann hatte ich sogar drei von vier Mails vorliegen. Ein guter Schnitt, wie ich finde. Nur leider ist das zu wenig und das ist das Hauptproblem bei Gruppenarbeiten: Egal wieviel jeder Einzelne dafür tut, macht einer nicht mit, ist es nie vollständig.
So sitze ich also hier und schreibe neben der allerletzten Aufforderungsmail an die Mitreferentin einen paar Zeilen in meinen Blog. Die Zusammenfassung des letzten Textes von den vieren kann ich zur Not auch selber machen, ich habe sie ja alle 4 gelesen. Aber ein wirkliches Einsehen habe ich nicht.
Wenn man im Baumarkt ist, sinkt das Niveau. Von beiden Seiten - ob nun Verkäufer oder Kunde - kann nur noch wenig bis gar nichts abverlangt werden. Ich versuche dort so wenig wie möglich zu sprechen, denn dagegen - Niveauverlust - gibt es kein Mittel. Hinzukommt, dass sich Baumärkte durch permanenten Personalmangel auszeichnen. Wahrscheinlich sind selbst zu Betriebsversammlungen nur wenig bis keine Leute da und wenn doch, dann müssen sich diese von neuem miteinander bekannt machen, weil Baumärkte ja auch so weitläufig sind.
Ich stehe in der Schlange in der Sanitärabteilung. Vor mir steht ein Ehepaar.
"CO2-Flaschen?"
"Ja, wozu?"
"CO2-Flaschen!" diesmal mit Nachdruck vom Sachverständigen vorgebracht.
"Ja. Wozu brauchen Sie die denn?", der Verkäufer spricht den ersten ganzen Satz.
"Für den Wasseraufbereiter", Verben werden eindeutig überbewertet.
"Achso. Ich schaue mal nach, ob wir die überhaupt im Sortiment haben", der Verkäufer steht auf und holt einen dicken Katalog aus einem Schrank. Die Frau, sie sprach die ganze Zeit, während ihr Mann stumm daneben stand, dreht sich zu ihrem Mann hinüber und sagt: "Komm wir gehen, ich glaube der ist dumm".
Ich bin dran.
"Hallo. Ich möchte die Gasflasche hier gegen eine volle tauschen." Das dargebotene Objekt wird trotz der Schwere herangezogen und präsentiert, man kann ja nie wissen.
"Alles klar, gehen Sie bitte dort rüber zu dem Mann da, der hilft Ihnen weiter."
Der Mann da wuchtet gerade ein paar Plastikwannen auf einen Stapel, sieht mich und ist plötzlich noch beschäftigter als vorher. Das schwere Schnaufen nutzt aber nichts, ich habe einen Auftrag.
Es folgt die nochmalige Auseinandersetzung mit der Situation.
"Kommen Sie mal mit, das haben wir gleich."
Begeisterung. Nach weniger als 10 Minuten habe ich die volle Flasche. Die Kasse in diesem Bereich ist verdächtig leer. Ich bin im hinteren Teil des Baumarktes gelandet - bei den Baustoffen, da steht niemand an.
Die Dame sieht mich bereits von weitem kommen:"Nein, hier nicht. Das geht nur vorne".
Unbeirrbar schreite ich voran, stelle die Flasche ab und antworte:"Ist gut. Ich stelle die Flasche hier so lange ab. Mein Auto steht da draußen."
"Gut."
Vorne entpuppt sich als der Haupteingang, wo nicht nur eine Kasse da ist, sondern mehrere. Von denen sind sogar zwei geöffnet. Das daneben liegende Servicecenter ist bis auf den Mitarbeiter dahinter leer. Vor mir steht ein älterer Herr, der, als er endlich an der Reihe ist, weggeschickt wird mit den Worten:"Nein, hier nicht. Bitte gehen Sie zum Servicecenter rüber. Das geht nur dort." Häufiger Kundenkontakt verhält sich also nicht umgekehrt proportional zum Satzbau. Nicht immer.
Ich bin dran.
"Nein, hier nicht. Bitte gehen Sie zum Servicecenter rüber. Das geht nur dort." Ich trage jetzt eine Riesenkrawatte und stelle mich erneut hinter den älteren Herrn. Ich überlege mir - ich halte bereits Ausschau danach -, einen dieser Beschwerdepfeiler aufzusuchen. Das sind die Pfeiler, an denen ein Block und ein Stift angebracht ist und darüber prangt ein Schild, auf dem steht so etwas wie: "Sie sind zufrieden, sagen Sie es weiter. Sie sind nicht zufrieden, sagen Sie es mir." Darüber schaut ein freundlich lächelnder Filialleiter auf einen herab.
Ich lasse das mit dem Zettel. Ich befürchte, vor Wut beim Schreiben den Stift zu zerbrechen oder - noch schlimmer - die Verben im Satz zu vergessen.
Die Frage stellt sich bei schönem Wetter ganz automatisch, wenn die Veranstaltungen in der Uni mit nichts besonderem aufwarten können. Es werden Referate gehört und darüber gesprochen. Das ist nichts besonderes. Die alternativen Beschäftigungen sind auch nicht besser. Da ruft noch eine Hausarbeit und Arbeit an anderer Stelle, die aufgrund der Feiertage vorher gemacht werden muss. Ich bin sozusagen alternativlos, Arbeit schreit.
Das Wetter war heute einfach zu schön, als dass der Tag nur zu Hause verbracht werden durfte. Die Vorbereitungen für einen Spaziergang summieren sich neuerdings zu einem ganzen Berg, da wird der Wunsch schon mal Vater des Gedankens:
Es geht los mit dem Stillen. Keine leichte Aufgabe für meine Frau und für mich auch nicht, ich komme mir dabei irgendwie nutzlos vor. Wenn das Stillen dann erledigt ist, kommt das Wickeln dran, schon eher mein Metier. Dann hat Fiete meistens nochmal Hunger und muss danach nochmal gewickelt werden. Wenn das alles geschafft ist, nur noch anziehen, Kinderwagen starklar machen und losgehen. Ich war heute in der ersten Pause noch dabei, in der zweiten Wickelpause war ich nicht dabei. Da versuchte ich den Kinderwagen flott zu kriegen. Als wir dann endlich draußen waren, erzählte mir meine Frau von der zweiten Wickelpause. Es war natürlich ein Krampf, zwei Paar Socken, ein Strampler und eine Jacke. Kurz bevor sie die Jacke überstreifen wollte, klingelt das Telefon in der Küche. Fiete bleibt kurz unbeaufsichtigt auf dem Wickeltisch zurück, während meine Frau das Telefon holt.
"Und als ich zurückkomme, was glaubst du, hat Fiete da gemacht?" fragt sie mich.
"Sich die Jacke angezogen?"
"Nee, vollgekotzt hat er sie."