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Bei den Leisen Tönen. Manchmal braucht es einen Blog, um sich Luft zum Denken zu verschaffen. Keine Steckenpferde, Hobbies oder sonstiges Spezielles, nur Luft zum Denken.

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Astrid Lindgren: Kalle...
Astrid Lindgren: Kalle Blomquist lebt gefährlich, Verlag...
Shhhhh - 28. Mai, 20:30
Fich
mit Michgemüse.
Lo - 2. Jun, 00:20
Er
meinte Fich. ...tennadelsarg. Twodays Beerdigung.
pathologe - 1. Jun, 08:21
Fisch?
Ich riech' nix. ;-)
Lo - 1. Jun, 07:37
Tschüß
...und danke für den Fisch.
Shhhhh - 1. Jun, 06:45

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Samstag, 21. November 2015

Trottel

Am gestrigen Tag war ich seit längerem wieder einmal im Theater gewesen, um zu arbeiten. Es lief die GP, also Generalprobe, eines Stückes, dass ich mir auch gern angeschaut hätte. Leider bin ich ein wenig verschnupft und verhustet, was ich den wenigen Zuschauern bei so einer GP nicht antun wollte.

Ein sehr schönes, ordentliches Bühnenbild, übersichtlich. Nicht zu viel zu tun. Eher weniger. Ein paar Limetten schneiden, einen abgeschnittenen Kopf (Attrappe) in einen Karton tun, zukleben und Postsachen drauf. Ein paar Gläser, Flaschen, keine Ascher! Ich weiß gar nicht mehr, wann ich das letzte Stück betreut habe, in dem kein Ascher vorkam. Wahrscheinlich ist das gar nicht so lange her, aber momentan fällt mir keins ein.

Die Gläser haben ein paar witzige Beleuchtungssachen unter dem Glasboden. Ein aus vier oder fünf kleinen LEDs bestehendes Blinkeset, was per Knopfdruck aktiviert wird und den darüber im Glas befindlichen Drink schön anstrahlt.

Am Ende der Vorstellung schnappe ich mir den Eimer mit den Sachen zum Abwaschen, darin natürlich auch die vier Gläser mit den doppelten Böden. Ich bringe alles runter und stelle es auf die Küchenarbeitsplatte. Dann lasse ich Wasser ein. Der doppelte Boden mit den Lampen darin lässt sich ganz einfach herausdrehen. Ich stelle die vier Böden vorsichtig etwas abseits und tauche die Gläser ins Wasser.

Ich könnte meinem Chef, der oben wartet, ja so etwas erzählen wie: „Sag mal, sind die überhaupt wasserdicht, diese Böden?“, oder: „Hm, irgendwie funktionieren die Lichter nicht mehr, seit ich die Gläser abgewaschen habe.“ Ich muss grinsen und trockne die Gläser ab.

Dann nehme ich die Gläser und will sie wieder mit dem Boden verschrauben. Da steht Wasser drin, das mir beim Querhalten der Elemente auf die Schuhe tropft. Aber ich habe doch, denke ich, und stelle alles wieder ab. In allen vier Böden steht das Wasser. Ich hole die Platinen, die nur aufgesetzt sind heraus, trockne alles gründlich ab. Die kleinen Zellen haben bereits Rost angesetzt, die Schlieren verteile ich auf dem Handtuch. Ich puste hinein, schüttle die Dinger. Panik steigt in mir hoch, zu Recht, zwei von vier Böden funktionieren nicht mehr.

Wie soll ich das erklären? Morgen ist Premiere und ich habe erst einmal zwei Leuchtböden geschrottet. Dabei habe ich doch, denke ich, und puste verzweifelt auf die Platine mit den LEDs. Das kann doch nicht wahr sein.

Als ich alles wieder eingesammelt habe, verlasse ich die Küche und mache mich auf den Weg zurück zur Bühne. Ich nehme den Fahrstuhl, obwohl es nur zwei Stockwerke sind. Ich überlege mir einen ersten Satz: „Ich schwöre, ich habe die Dinger vorher abgeschraubt“, denke ich. Es klingt erbärmlich.

Oben angekommen reihe ich die Requisiten auf und sage meinen Satz, also den letzten. Mein Chef guckt nur kurz und winkt ab. Sind wohl genug da und das erste Mal ist das wohl auch nicht passiert. Er will gar nicht wissen, was passiert ist. Ich beruhige mich wieder, fühle mich trotzdem wie ein Trottel.

Freitag, 20. November 2015

Rührselig

Ich bin heute ein wenig rührselig, glaube ich. Eben erst holte ich mir die Lektüre für die kommende Woche ab und las im Gehen das Vorwort aus Franz Hessels "Spazieren in Berlin".

"Aus der Erschütterung, die er nicht überlebte, trifft sein Lächeln mich tiefer als jeder Schrei."
Stéphane Hessel über seinen Vater

Donnerstag, 19. November 2015

...

Mir ist etwas Komisches aufgefallen. Journalisten wehren sich gerne vehement gegen den Begriff der „Gleichschaltung“, was auch seine Gründe hat, zumal der Begriff aus der NS-Vergangenheit nicht gerade mit positiver Überladung punkten kann. Demgegenüber stehen aber immer wieder Aussagen, die von Journalisten selbst gemacht werden, die über andere Journalisten oder deren Medien schreiben. Und das nicht unbedingt abfällig, sondern einfach den Tatsachen entsprechend.

Es geht um den kleinen, und wie ich finde, feinen Unterschied, ob jemand mit einem Zeitungsartikel zitiert wird und dieser dann der Zeitung zugeordnet wird oder ob dort einfach nur noch steht: „…sagte er in einem Interview, dass er der Funke-Gruppe gegeben hat“. Damit ist natürlich klar, dass das Interview in einer der vielen Zeitungen, wahrscheinlich sogar in mehreren und manchmal sogar in allen Zeitungen abgedruckt nachzulesen ist, die der Funke-Gruppe angehören. Aber transportiert diese Ansage, „Funke-Gruppe“ oder „Madsack-Gruppe“ oder „Springer-Gruppe“, denn noch ein in den Tageszeitungen ursprünglich angelegtes Bild von Unabhängigkeit und Meinungsfreiheit? Wohl eher nicht.

Und dann diese Namen. Als säßen dort fünf Leute am Kamin und bestimmen das journalistische Geschehen in Deutschland. An diesen Namen dürfen sich nun alle abarbeiten und tun das auch, und irgendwie merkt keiner so wirklich, dass sowohl die eine Seite der Medaille, die Reduzierung auf ein paar Namen und deren Verteufelung, als auch die andere, dass mit dieser Reduzierung eine genauso einseitige Reaktion erfolgt, die den Damen und Herren der obersten Etage nur in die Hände spielt, weil sie damit ihre „Marke“ und ihr Image aufbauen, trotz und wegen dieser schlechten Kritik.

Wir haben doch die Wahl. Lesen wir doch nur noch die Nachdenkseiten, den Postillon, fefe. Oder wir lesen die Springer-Presse, die Funke-Gruppe oder wen oder was auch immer. Es steht uns doch frei. Es steht doch allen frei.

Mittwoch, 18. November 2015

Juan S. Guses Roman "Lärm und Wälder" - keine Rezension

Das heutige Seminar war zu kurz. Es hatte exakt die gleiche Zeitspanne zur Verfügung wie sonst auch, aber sie reichte nicht aus. Bezüglich meines Tiefs, hatte ich heute vorgesorgt, indem ich eine Viertelstunde eher da war, die Cafeteria aufsuchte und mir einen großen Latte macchiato mit Weißer-Schokolade-Sirup bestellte, den ich dann in der mir übrigen Zeit vor Seminarbeginn austrank. Üblicherweise bestelle ich keinen Sirup, üblicherweise trinke ich meinen Kaffee mit Pfefferminzsirup, den mache ich mir allerdings selbst und das zweimal die Woche an meinem Arbeitsplatz, dem Spandau. Dort überfällt mich nie ein Tief, auch nicht zur Mittagszeit. Diesen signifikanten Zusammenhang machte ich mir zu Nutze und ging also gestärkt zum Seminar.

Wir hatten einen Gast dort, den Autor eines Romans, Juan S. Guse. Sein Roman heißt „Lärm und Wälder“. Zur Vorbereitung las ich sein Buch nicht, sondern schaute mir nur die eine oder andere Rezension an. Ich muss gerade so viele Bücher lesen, dass ich mit meiner Zeit wirklich sehr gut haushalten muss. Und dieses Buch wurde uns zwar anempfohlen, gehört aber nicht direkt zum Stoff des Seminars, und das für nächste Woche angesetzte Buch, von dem ich bislang nur ca. 80 Seiten gelesen habe, schlummert aus Zeit- und Lustmangel noch immer in der Warteschleife. Was ich stattdessen lese und las, findet sich zum Teil hier im Blog beschrieben und ein anderer Teil befindet sich auf meinem Schreibtisch. Das Buch für kommende Woche ist allerdings Stoff des Seminars, da werde ich mich noch ranhalten müssen.

Jedenfalls erzählte uns Juan eine ganze Menge zu seinem Roman, ein wenig zum Buchbetrieb und noch weniger von seiner Arbeit daran. Vielmehr las er ein paar spannende Passagen aus seinem Buch vor. Die Beeindruckendste war mit Abstand ein Kapitel, das nur aus einzelnen Gesprächsfetzen zu bestehen schien und manchmal sogar Sinn ergab, wenn das Gespräch nur lang genug war. Dies sollte auch so sein. Davon gibt es vier Kapitel in dem Buch, sie heißen „Hotline“, wenn ich mich recht erinnere.

Diese Kapitel geben Gespräche wider, die von den Bewohnern der „gated communities“ mit ihren Verwaltern geführt wurden, also wenn mal der Wasserhahn tropft, die Katze entlaufen ist, sowas. Darin kam eine Szene vor, wo der Anrufer sich mit einem Strauß Blumen bei seiner Nachbarin dafür entschuldigen wollte, dass er sich irrtümlicherweise in ihren, statt in seinen Garten gelegt hat nach der Arbeit, um sich, wie er es sonst auch immer tut, fünf Minuten auf einem der Liegestühle zu entspannen, bevor er ins Haus geht. Er bemerkt seinen Fauxpas zu spät, er wird entdeckt, Gekreisch, Panik usw. Und nun ruft er bei seiner „Mutti“ an, dem Servicetelefon des Wohnkomplexes, um der Frau, seiner Nachbarin, einen Blumenstrauß nebst Entschuldigungsschreiben zukommen zu lassen. Darin macht er deutlich, wie peinlich ihm das Ganze ist, und wie sehr er es bedauert, dass seine Nachbarin ihn auf diese Weise kennenlernen musste. Er wohnt dort schon seit sieben Jahren, aber das sei ihm noch nie passiert. Und es sollen keine Rosen sein, sagt er noch, er wolle ja nicht als perverser Stalker (sinngemäß) in seiner Nachbarschaft bekannt werden.

Diese Szene finde ich deshalb so stark, weil sie ein Klischee bedient, das jeder kennt. Die Darstellung ist durchaus witzig und wir haben uns darüber natürlich köstlich amüsiert, aber im Grunde genommen ist diese Szene bei längerer Betrachtung ein Apfelstückchen, das uns im Halse stecken bleibt. Erstmal köstlich und dann tragisch. Wir könnten darüber nicht lachen, wenn wir nicht jemanden kennen würden, dem es schon einmal so ergangen ist oder wir selbst in so einer Situation waren. Wir könnten nichts mit der Komik anfangen, wenn sie uns nicht allzu bekannt vorgekommen wäre. Wer hielt nicht schon einmal ein Stockwerk zu früh und wunderte sich, dass der eigene Schlüssel nicht passte? Oder krasser: Wer kennt denn alle seine Nachbarn? Womöglich in einem Mehrfamilienhaus in einer Großstadt, oder die Leute von einem solchen Haus nebenan, die vielleicht auf der gleichen Etage, Wand an Wand auf ihre Fernseher starren, die sich mit dem Rücken gegenübersitzen.

Juan sagte auch, er wolle mit seinem Buch keine Kritik an diesen Wohnkomplexen üben, er wolle Fragen stellen. Er wies darauf hin, dass wir Teil des Problems sind. Dass es diese "Abschottung", wie er es nannte, im ganz Kleinen und im ganz Großen gäbe.

So ging die Seminarzeit dahin. Es wurde noch einiges mehr geredet, was ich hier gar nicht in aller Ausführlichkeit schildern möchte und kann. Es wurde noch geredet, da hatte ich längst meine Sachen gepackt, weil ich dringend meinen Sohn aus der Kita abzuholen hatte. Wer weiß, wie lange die dort noch gesessen haben. Nicht mal für das Kaffeeexperiment reichte die Zeit, ich verließ den Raum genau so hellwach, wie ich ihn betreten hatte.

Dienstag, 17. November 2015

Das Mittagstief

Wegen meiner anhaltenden Tiefs gegen Mittag wollte ich mir neulich etwas überlegen. Ich überlegte mir, einen Text dazu zu schreiben, der einzige Fehler war: es war Mittag. Ich kam bei meinen Überlegungen zum Mittagstief nicht einmal über die Pluralform von Tief hinaus, weil ich nicht im Traum daran dachte, an dieses Wort ein -s anzuhängen. Vielmehr stand mir der Sinn danach, die Mehrzahl über ein angehängtes -e auszudrücken.

Beides sind durchaus gängige Verfahren, um aus einem Einzahlwort ein Mehrzahlwort zu machen. In manchen Fällen aber, wenn es sich so ergibt, ist die Wahl des Plural bereits vorgegeben, um keine Verwechslungen mit ähnlichen Wörtern zu evozieren. Sollten Sie einmal in die Verlegenheit kommen und darüber nachdenken, ob sie die Mehrzahl von Mittagstief nicht als Mittagstiefe ausdrücken sollten, womöglich um die Mittagszeit herum, lassen Sie sich gesagt sein: das geht nicht! Ich habe es probiert. Sie kommen damit der anderen Substantivierung von tief ins Gehege.

Tief, also das kleine tief, kann ja als Substantiv zwei Dinge bedeuten: entweder bezeichnet es eine Stelle, die im Vergleich zu ihrer Umgebung ziemlich weit unten ist, dann sagen wir Tiefe, oder sie bezeichnet einen Zustand, der sich durch bestimmte niveaubetreffende Eigenschaften von den Räumen seiner Umgebung unterscheidet, er liegt dann unter dem Niveau der anderen und nennt sich dann Tief. Sie können mehrere tiefe Stellen haben, dann sind das die Tiefen und sie können mehrere solcher Zustände haben, dann sind das Tiefs, keine Tiefe, keine Tiefen! Das ist alles schon besetzt.

Haben Sie also jemals ein Tief zu Mittag und sollte sich dies wiederholen, ich wünsche es Ihnen nicht, niemandem wünsche ich das, sagen Sie nicht, dass es sich dabei um Mittagstiefe handelt. Es sind Mittagstiefs, so blöd das auch klingt. Wir könnten uns ja auf Mittagtiefs einigen, um die Aussprache zu erleichtern. Das ist übrigens nicht falsch. Das passiert dem Mittag sogar öfter, dass einfach das s in der Mitte getilgt wird, sobald es sich um eine Zusammensetzung handelt. Man sagt zwar Mittagspause aber nicht Mittagsessen, man sagt Mittagessen.

Man sagt übrigens auch nicht Mittagtief, sondern Mittagstief. Ich habe es gerade gegoogelt. Man könnte aber Mittagtiefs sagen, glaube ich. Im Duden finden Sie dazu leider gar nichts. Die Dudenredaktion kennt kein Mittagstief, die arbeiten immer. Und wenn Sie online mal etwas abrufen wollen, zum Beispiel die Mehrzahl von Tief, machen Sie dies trotzdem nicht um die Mittagszeit, da werden Sie von der Dudenredaktion nämlich auf eine andere Seite verwiesen:

„Wartung, die…
Bitte schauen Sie später noch einmal vorbei, derzeit wird die Seite für Sie gewartet.“

Montag, 16. November 2015

Pommes um halb fünf

Heute Morgen um 04:31 Uhr war die Nacht vorbei. Das war sehr schade, denn es ist nicht die Zeit, die ich üblicherweise bis zu dem Zeitpunkt, das Haus zu verlassen, benötige. Es ist viel zu viel Zeit.

Das war auch deshalb schade, weil ich mich gerade in einem interessanten Traum befand, bei dem ich eine Wette auf die Zukunft eines Mückenstiches platzieren sollte. Es kamen lauter Leute darin vor, die ich kenne, und es versprach noch ein wenig schlüpfriger zu werden, als es sowieso schon der Fall war. Naja, ich will hier niemanden kompromittieren, weil sie sich in meinem Traum ein wenig haben gehen lassen, deshalb werde ich hier keine Namen nennen.

Aufgewacht bin ich, weil unser jüngster Sohn seinen Schnuller nicht finden konnte und sich lautstark und unglücklich über den leeren Mund äußerte. Das hörte ich und lief schnell hinüber. Gänzlich verstimmt über diesen Umstand hatte sich der kleine Racker schon aufgesetzt und blickte sich im Halbdunkel um. Ich fing sofort an, die üblichen Schnullerplätze aufzusuchen und wurde natürlich nicht fündig. Nirgends war dieses Ding zu sehen bzw. zu ertasten. Unsere Tochter war mittlerweile ebenfalls erwacht und beobachtete mich dabei, wie ich mit dem freien Arm unter dem Bett den Staub aufwirbelte. Nichts. Unser Sohn hatte sich derweil wieder hingelegt und den Schnuller wieder im Mund. Also sprach ich ein paar nutzlose, beruhigende Worte und verließ das Zimmer.

An Einschlafen war nicht mehr zu denken. Ich dachte deshalb an etwas anderes, um mich abzulenken. Ich dachte daran, dass Trithemius sich seit neuestem immer eine Portion Pommes kauft, wenn wir uns im Vogelfrei treffen und ich ihm, je nach Hungerlage ein bis fünf Pommes stibitze. Und nicht nur ich. Auch Herr Putzig greift manchmal zu und Filipe d’Accord. Jedenfalls dachte ich, wäre es doch nett, ihm ein Sammelheft zu schenken, in dem wir ihm je einen Stempel hineinstempeln nach einem solchen Mahl, und wenn er dann, sagen wir mal, 20 Stempel von einem von uns hat, bezahlt derjenige die Pommes von Trithemius.

Um 06:27 Uhr war ich mit Denken fertig und hörte bereits, wie die drei kleinen Racker Krawall machten. Da war die Nacht dann wirklich vorbei.

Samstag, 14. November 2015

Scheißwochenende

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Donnerstag, 12. November 2015

Alfred Polgar: Die Mission des Luftballons

Habe gestern in einen Polgar hineingeschaut, einen, den ich noch nicht kannte. Die Zusammenstellung orientiert sich am Gesamtwerk Polgars und zeigt es in Ausschnitten. Der Querschnitt, der dabei entsteht, umfasst knapp 50 Jahre; eine unglaublich lange Zeit.

In dem Kapitel, was ich gestern las, ist mir ein Stilmittel aufgefallen, dass ich noch nicht so richtig fassen kann, aber etwas damit zu tun hat, dass Polgar hier bekannte Muster – sei es nun im Denken, Sehen oder anderem Sinn – umdreht. Er baut Perspektivenwechsel ein, die überraschend sind, spannend. Einfach toll.

Das Kaptiel „Trost in Krisenzeit“ beginnt mit einem solchen Perspektivenwechsel. Der erste Artikel heißt: „Automobile sehen dich an“. Da ist er schon der Perspektivenwechsel. Aus der eigenen Position heraus, sich diese Gefährte sowieso nie leisten zu können, starrt nicht er auf die Autos, sondern die Autos auf ihn. Markige Werbesprüche greifen ins Leere und ihre Verpuffung am Zielobjekt der Botschaft demaskiert ihre eigentliche Sprödheit: „Nehmt Spidolin, das Öl der Sieger.“

Im Kleinen kann Polgar das auch. Da beobachtet er einen Zeitungsverkäufer, der wie ein Automat sein Zeitungsexemplar anpreist, egal ob nun Passanten da sind, die ihn hören können oder nicht: „Als ob in dem Mann ein Sprechmechanismus aufgezogen wäre, der, automatisch ablaufend, alle zehn Sekunden Laut gibt. Dieser Zeitungsverkäufer, den die Maschine noch nicht schluckte, schluckte die Maschine.“ Eine Anspielung auf den Vorstoß der Maschinen in die Arbeitswelt kehrt er um in eine widernatürliche Anpassung des Menschen an diese Situation. Wer assimiliert hier wen oder was assimiliert hier was, könnte man sich fragen. Großartig.

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