Gedankeninseln
Heute hätte ich mir beinah die Pulsadern an meinem rechten Arm aufgetrennt. Nun ja, es ist nur eine kleine Schnittwunde leicht oberhalb der Stelle, die dafür in Frage kommt, aber trotzdem. Es war knapp. Natürlich klebte ich sofort ein viel zu großes Pflaster auf die leicht blutende Wunde. Das schränkte mich aber so sehr ein, dass ich es nach kürzester Zeit wieder abnehmen musste. Das ging einfach nicht.
Wie ist das eigentlich, wenn man mit so einer Wunde in ein Krankenhaus eingeliefert wird? Besteht da grundsätzlich die Annahme, man würde Selbstmordgedanken hegen? Ich bin ja Rechtshänder und es läge mir wahrscheinlich nichts ferner, als mir mit der linken Hand den Arm aufzusäbeln. Allerdings trage ich, wie für einen Linkshänder typisch, meine Armbanduhr am rechten Arm. Naja, ich würde sie am rechten Arm tragen, weil ich gar keine Armbanduhr besitze. Als ich aber einmal eine hatte, trug ich die rechts.
Die Uhr hätte ich wahrscheinlich sowieso abgenommen. Die blutet ja sonst unnötig voll. Aber ich frage mich gerade, ob mich der Arzt oder die Ärztin beim Verbinden des Arms dann so nebenbei aushorchte, wie es um meine Vorlieben bestellt ist. Beteuert, dass ich auf keinen Fall Selbstmord hätte begehen wollen, habe ich bis dato wahrscheinlich schon oft genug. Dann werde ich also so nebenbei gefragt, ob ich Rechtshänder oder Linkshänder bin, ob ich da vielleicht in ein Denkschema passe, womöglich Hilfe brauche. Ich könnte den Umstand nicht einmal schreibend beweisen, weil der Arm so schmerzt, muss ich das Formblatt mit links ausfüllen.
Wie das denn überhaupt geschehen konnte, werde ich dann gefragt. Das glaubt mir doch keiner! Am Duschrollo, sage ich darauf. Am Duschrollo? Ich erkläre, dass ich das Duschrollo an den dafür vorgesehenen Bändern nach oben gezogen habe, und als dieses meinen Arm passierte, schnitt ich mir an der unteren Kante des Rollos den Arm auf. Am Duschrollo? Ja.
Ich werde unter fadenscheinigen Begründungen im Krankenhaus einbehalten. Nachblutungen, Fahruntüchtigkeit, obwohl ich gar nicht fahren muss. Ich sollte jetzt besser nicht allein sein. Ich bin nie allein. Ja, aber es ist keine Krankenschwester vor Ort. Nachblutungen. Was gibt es denn zum Abendessen, frage ich. Suppe, mit einem Holzlöffel.
Entschuldigung für den reißerischen Titel, aber hier liest ja sowieso kaum einer mit, da dachte ich kann auch nochmal so richtig auf den Putz hauen.
Gestern beim Abendessen nach der Exkursion gab es Spanferkel mit Sauerkraut und als Nachtisch Crêpes. Allerhand gab es zum drauftun, Schokocreme, Zucker und Zimt, Karamell; einige schlugen sogar vor, doch ein wenig Spanferkel draufzutun. Ich dachte an Crêpes mit Sauerkraut, dem Inbegriff deutsch-französischer Freundschaft...
Hatte ich heute, als ich das Finale der dieswöchigen Kochsendung auf Vox geschaut hatte...
Bierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbierbarbier...
Immer wenn ich einen Döner kaufe, fahre ich dafür zum Schwarzen Bären. Schon dieser Umstand allein könnte komisch sein, wenn es sich beim Schwarzen Bären nicht um eine Adresse handeln würde, die hier in Linden als völlig normal angesehen wird. Tatsächlich heißt der Platz „Am Schwarzen Bär“ und natürlich steht dort eine Skulptur, die an einen schwarzen Bären erinnert.
Am Schwarzen Bär gibt es nichts, was es nicht woanders auch gibt, wenn man mal von dem wirklich komischen Versuch absieht, den sich ein hier ansässiges Spielcenter leistet. Ich schreibe mit voller Absicht Versuch und kläre dabei mit der gleichen vollen Absicht nicht auf, um was für einen Versuch es sich hierbei handelt, denn ich bin mir selbst gar nicht so sicher, was das zu bedeuten hat:
Also, in direkter Nachbarschaft zu dem Dönermann meines Vertrauens befindet sich ein Spielcenter. Dieses Spielcenter besitzt einen eigenen Fahrradständer, der ausschließlich für Kunden des Spielcenters gedacht ist. So steht es darauf geschrieben. Mein Fahrrad hat einen eigenen Ständer und ich würde niemals auch nur den Anschein erwecken wollen, Kunde dieses Spielcenters zu sein, indem ich mein Fahrrad dort anschließe. Sollte ich aber Kunde werden wollen, brauche ich, um meine Fahrrad dort anschließen zu wollen, nicht einmal ein Fahrradschloss, denn, so steht es auf dem Fahrradständer, ich könnte mir ein Schloss vom Spielcenter besorgen, um damit mein Fahrrad dort anzuschließen. So steht es darauf geschrieben.
So, und damit endet meine Geschichte. Denken‘S sich Ihren Teil oder schreiben‘S auf oder beides. Hier oder woanders oder lassen‘S. Das ist wie mit einem Gedicht, da steckt manchmal ganz viel drin und manchmal ist es nur blau, braun und schwarz, fragen'S mal den Trak’L.
Falls Sie jemanden kennen, der mal einen Heftroman verfassen will und noch nicht weiß, wie er den Anzeigenteil füllen könnte...
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Die beiden letzteren eignen sich hervorragend, wenn es der Text nötig macht, auf eine bestimmte Seite zurückzublättern, um sich einen ganz bestimmten Sachverhalt noch einmal vor Augen zu führen...
Ich stelle mir vor, dass Uwe Johnson eine alte Schreibmaschine besessen haben muss, ein schweizer Modell oder eine amerikanische. Er musste das ß immer ausschreiben, weil es auf seiner Tastatur nicht angelegt war. Darüber hinaus hatte die Schreibmaschine ihre Tücken bei der Kommasetzung: sobald ein bestimmter Anschlag erfolgte, versagte die Kommataste ihren Dienst. Sie klemmte. Dieses rein mechanische Problem war zunächst ärgerlich, später war das sein Stil.
Ich weiß nicht genau, was es ist, aber seit geraumer Zeit (1-2 Monate) ist es hier irgendwie anders. Ich kann mir das nicht erklären, aber ich überlege ernsthaft, die Plattform zu verlassen.
Ich bin ja nicht selten auf Spielplätzen anzutreffen. Wenn schönes Wetter ist, trifft man mich fast immer auf einem Spielplatz, wahlweise mit drei Kindern und Frau oder mit weniger Kindern und ohne Frau. Heute war ich mit drei Kindern, die sich glücklicherweise fast komplett selbst beschäftigten, und meiner Frau auf dem Spielplatz nahe der Faust. Abwechselnd besuchten wir den Flohmarkt, während ich oder sie auf die Kinder aufpassten.
Als ich wieder an der Reihe war - die beiden Großen rannten irgendwo herum - traf ich unseren Kleinsten beim Sandkasten, wie er gerade ein wesentlich älteres Kind mit Sand bewarf. Dann nahm das ältere Kind meinem Kind die Schaufel weg und schubste es in den Sand. Mein Kind heulte nun auch. Tja, dachte ich und stellte mich in den Schatten.
Der Vater des anderen Kindes baute gerade an einem Graben um eine Burg. Die wurde etwas später von einem Handpuppenkrokodil aufgefressen, das Nimmersatt hieß. Dabei musste ich an meine mündliche Prüfung denken und meinen Prüfer, einem Professor der Erziehungswissenschaften, der es mir nach einem Zitat meinerseits leicht gemacht hatte, indem er das Reden übernahm. Er fragte sich, in einem mir nicht mehr zugänglichen Zusammenhang nach der Kreativität, wie sie von Eltern gern für ihre Kinder in Anspruch genommen wird.
Natürlich ging es in meiner Prüfung um Piaget. Aber das war nicht der Punkt. Es war dieses Phänomen, dass Eltern glauben, ihre Kinder wären kreativ, dabei sind sie nur die schlechten Nachahmer ihrer Eltern. Das Krokodil, das niemals so gut klingen wird wie die „kleine Raupe“, weil ihm eine Silbe fehlt, aber trotzdem Nimmersatt heißt. Der alte Herr, der den Graben um die Burg mit einer Spielzeugschaufel aushebt.
Ich dachte an Akkommodation und Assimilation. Mein Prof wollte gar nichts mehr von mir wissen. Ich wisse ja alles, was da im Text steht, das glaube er mir, sagte er. Dann durfte ich raus gehen und warten, bis die Entscheidung kam. Unterdessen hatte mein Sohn zwei Schaufeln erobert, von denen er mir eine abgab. Ich buddelte ein Loch bis zum betonierten Grund des Sandkastens und stellte meinen Sohn hinein. Das gefiel ihm. Dann setzte ich mich auf eine Bank und betrachtete die Reste der nebenstehenden Burg. Das Krokodil hatte ganze Arbeit geleistet.
Heute war ich seit gefühlt einem Jahr wieder beim Friseur. Bei dem Friseur, also diesem speziellen, war ich tatsächlich seit mehr als einem Jahr nicht mehr. Das wurde mir dort prompt bei Bezahlung mit auf den Weg gegeben. Wie die das machen? Die haben mich dort in ihrer Kartei. Meine Adresse war falsch, aber das interessierte sie gar nicht. Sie konnte mir aber sagen, dass ich sogar schon einmal von ihr behandelt wurde.
Behandelt. Mich behandelt man beim Friseur, weil ich nicht sagen kann, wie meine Haare werden sollen. Überhaupt kann ich bei Friseuren niemals sagen, wie es sein soll. Ich kann das einfach nicht. Ich kann beim Zahnarzt sagen, welcher Zahn mir weh tut (Zahl) und Röntgenbilder (Karies) auswerten. Ich kann mich mit Handwerkern besprechen, ich kann fachsimpeln mit fast allen Berufsgruppen, mindestens aber Interesse vortäuschen, aber über Haare kann ich nicht sprechen. Auch nicht über Kopfformen, Haarausfall und Schnittmuster.
Meine Unfähigkeit Wünsche zu formulieren führt seit Jahren dazu, dass ich immer den gleichen Haarschnitt trage, der für genau eine Woche gut aussieht und dann herauswächst und nicht mehr gut aussieht. Das ist wie ein furchtbar simples Ersatzteil, das furchtbar teuer ist und dringend in jeder Waschmaschine gebraucht wird, um damit überhaupt irgendetwas außer Abpumpen zu bewerkstelligen. Dieses Ersatzteil ist immer kaputt. Mein Kopf ist dieses Ersatzteil. Die Außenhaut.
Ich wünsche mir eine Zeit, in der Badekappen modern sind, Glatzen oder vollautomatische Friseure, die anhand von Kopfform, Berufsstand und Schuhgröße den bestmöglichen Haarschnitt nicht nur vollautomatisch ermitteln, sondern auch herstellen.
Was ich denn heute noch so Schönes vorhabe, fragt mich die Friseurin während des Haarschnitts. Ich gebe eine ausführliche Antwort, die keinerlei Wunsch nach Gespräch entfacht. Ich weiß nicht, was ich falsch mache, es bleibt nichts übrig, was ihr auch nur ansatzweise das Gefühl vermittelt, dass sie mit mir sprechen kann. Nicht sie ist der Automat, der mit die Haare schneidet; ich bin der Automat, dem sie die Haare schneidet.
Ich kenne das alles: das Vokabular von Fasson bis raspelkurz, von Ohren frei bis Undercut, es hilft nichts. Nicht einmal dass ich Kinder habe, interessiert sie, obwohl sie eine Kugel vor sich her treibt, die nach genau einem solchen aussieht. Ich traue mich nicht, danach zu fragen, vielleicht ist sie ja doch nur dick.
So sitze ich für 10 Minuten auf dem Stuhl und fühle mich nicht verstanden. Fühle mich nach einem Haarschnitt, der nach mir aussieht und alle meine Wünsche, obwohl sie schlecht oder falsch formuliert sind, berücksichtigt, behandelt. Wenn ich den Friseur verlasse, habe ich auf jeden Fall kürzere Haare und irgendwie sehe ich so aus, als sähe ich so aus, wie ich aussehe, wenn ich beim Friseur gewesen bin. Was ist nur los mit mir?
Bei der Abkürzung PP musste ich bisher immer an Polypropylen denken. Die Verbindung, die sich seit ein paar Stunden auftut, offenbart dazu nicht von der Hand zu weisende Parallelen, denn die
Panama Papers würde ich spontan mit der gleichen Abkürzung ausstatten: PP.
Eine riesige Verbindung aus einzelnen Polymeren in immer gleichem Muster (214.000 Briefkastenfirmen). Unverzweigt, verzweigt oder vernetzte Moleküle (Staatschefs, FIFA-Funktionäre, Profifussballer etc.). Die Chemie muss stimmen, fällt mir dazu ein.
Dieser Text ist Geert Lovink gewidmet