Tja, da ist es schon wieder passiert. Heute um 17:52 Uhr hat unsere Tochter Jette ihren ersten Schrei getan. Sie ist ziemlich schwer und auch ziemlich groß, so dass die Proportionen insgesamt stimmen. Wie alle unsere Kinder hat sie volles schwarzes Haar.
Es war die erste Hausgeburt, und wenn ich dieses Detail bei den anderen noch ändern könnte, dann wären sie alle zu Haus auf die Welt gekommen und nicht im Krankenhaus.
Da geht man gerade vom zweiten Obergeschoss in das erste hinunter und bleibt plötzlich mitten auf halber Treppe stehen, weil einem das Wort „knorkeln“ in den Sinn kommt. Noch dazu einen Sessel tragend, auf dem ein Kissen liegt, auf dem wiederum ein ausgedienter Übertopf gebettet ist. Schon allein die Vorstellung, dass so etwas überhaupt möglich ist, verschlägt einem die Sprache. Da muss man gar nicht mehr wissen, was das Wort überhaupt bedeutet.
Neben den ganzen anderen Umständen muss der Sinngehalt dieser höchst ungewöhnlichen Vokabel verblassen, zumal es für alles andere eine Erklärung gibt. Ich tat das Kissen auf den Sessel, weil ich keine Hand mehr frei hatte. Den Übertopf tat ich aus dem gleichen Grund auf das Kissen, nicht zwischen Kissen und Sessel, wo er geschützter gelegen hätte, nein oben drauf. Ich hoffte, die Sache erledigt sich vielleicht noch von selbst, denn alle drei Dinge sollte ich in den Keller bringen. Der Übertopf hätte mir aber auch kaputt gehen können auf dem Weg dorthin.
Dinge, die man in den Keller tut, verbleiben da häufig bis zum Um- bzw. Auszug, wo sie dann entweder in den nächsten Keller verfrachtet werden oder für kurze Zeit in der neuen Wohnung bleiben, um dann wieder im Keller zu landen, außer sie fallen zwischendurch runter. Unser Übertopf steht jetzt neben einem anderen ungeliebten Übertopf in einem Regal im Keller. Ich sehe mich ihn dort bereits erneut herausnehmen und irgendwohin schaffen, in einen anderen Keller, denke ich.
Obwohl ich noch gar nicht im Keller war zu diesem Zeitpunkt, denn ich ging ja gerade erst nach unten, muss sich mein Geist in vorauseilendem Gehorsam in denselben versetzt haben, um dort im Unterstübchen meines Oberstübchens das Wort „knorkeln“ heraus zu tun. Ich weiß natürlich, was es bedeutet, habe es früher sogar recht häufig benutzt. Sie glauben ja gar nicht, was man so alles knorkeln kann. Aber das ist nicht der Punkt. Es geht nicht um die Bedeutung, sondern um den Umstand, wie dieses Wort neben all den erklärbaren Umständen auf halber Treppe zwischen zweitem und erstem Obergeschoss, während ich bewaffnet mit einem Sessel, einem Kissen und einem ausgedienten Übertopf auf dem Weg in den Keller war, in meinen Kopf geriet. Ich schätze, damit hat noch niemand gerechnet. Für so etwas können weder die Quantenphysik noch die Relativitätstheorie herhalten.
Einen Link, hin und wieder, was wirklich tolles, irgendwas, was mich richtig berührt hat. Das hier ist so ein Link:
https://www.deutschland-sagt-sorry.de/
Das ist so gut, das könnte sogar echt sein.
Ich bin ja nicht selten auf Spielplätzen anzutreffen. Wenn schönes Wetter ist, trifft man mich fast immer auf einem Spielplatz, wahlweise mit drei Kindern und Frau oder mit weniger Kindern und ohne Frau. Heute war ich mit drei Kindern, die sich glücklicherweise fast komplett selbst beschäftigten, und meiner Frau auf dem Spielplatz nahe der Faust. Abwechselnd besuchten wir den Flohmarkt, während ich oder sie auf die Kinder aufpassten.
Als ich wieder an der Reihe war - die beiden Großen rannten irgendwo herum - traf ich unseren Kleinsten beim Sandkasten, wie er gerade ein wesentlich älteres Kind mit Sand bewarf. Dann nahm das ältere Kind meinem Kind die Schaufel weg und schubste es in den Sand. Mein Kind heulte nun auch. Tja, dachte ich und stellte mich in den Schatten.
Der Vater des anderen Kindes baute gerade an einem Graben um eine Burg. Die wurde etwas später von einem Handpuppenkrokodil aufgefressen, das Nimmersatt hieß. Dabei musste ich an meine mündliche Prüfung denken und meinen Prüfer, einem Professor der Erziehungswissenschaften, der es mir nach einem Zitat meinerseits leicht gemacht hatte, indem er das Reden übernahm. Er fragte sich, in einem mir nicht mehr zugänglichen Zusammenhang nach der Kreativität, wie sie von Eltern gern für ihre Kinder in Anspruch genommen wird.
Natürlich ging es in meiner Prüfung um Piaget. Aber das war nicht der Punkt. Es war dieses Phänomen, dass Eltern glauben, ihre Kinder wären kreativ, dabei sind sie nur die schlechten Nachahmer ihrer Eltern. Das Krokodil, das niemals so gut klingen wird wie die „kleine Raupe“, weil ihm eine Silbe fehlt, aber trotzdem Nimmersatt heißt. Der alte Herr, der den Graben um die Burg mit einer Spielzeugschaufel aushebt.
Ich dachte an Akkommodation und Assimilation. Mein Prof wollte gar nichts mehr von mir wissen. Ich wisse ja alles, was da im Text steht, das glaube er mir, sagte er. Dann durfte ich raus gehen und warten, bis die Entscheidung kam. Unterdessen hatte mein Sohn zwei Schaufeln erobert, von denen er mir eine abgab. Ich buddelte ein Loch bis zum betonierten Grund des Sandkastens und stellte meinen Sohn hinein. Das gefiel ihm. Dann setzte ich mich auf eine Bank und betrachtete die Reste der nebenstehenden Burg. Das Krokodil hatte ganze Arbeit geleistet.
Schlaf ich jetzt das Stündchen oder stunde ich das Schläfchen? Erst mal gucken, ob man das überhaupt so sagen kann. Bei stunden findet sich bei der Bedeutungsübersicht das schöne Wort prolongieren. Bei den Synonymen steht es erst an letzter Stelle mit dem in Klammern gehaltenen Zusatz „(Wirtschaft)“. Das bedeutet wohl, dass vor allem in der Wirtschaft prolongiert wird.
Bei Prolongation, denn darauf kam ich als nächstes, was ich erstaunlich fand, denn ich hätte ja auch auf Prolongierung kommen können, steht, dass es dabei um die Verlängerung einer Laufzeit geht. Bei Prolongierung steht, ich solle bei Prolongation nachsehen. Darauf kam ich übrigens, weil ich bei Prolongation, bzw. eigentlich schon bei prolongieren, an Prokrastination denken musste, die ja auch nicht Prokrastinierung heißt. Die Prokrastinierung gibt es im Duden wirklich nicht, nicht einmal der Hinweis, ich solle woanders schauen. Halt, das stimmt nicht, Duden fragt mich, ob ich Bürokratisierung meine. Ich soll also doch woanders schauen.
Die Bürokratisierung wird in der Bedeutungsübersicht nur mit Bürokratisieren/Bürokratisiertwerden erklärt. Synonyme gibt es dafür nicht. Man könnte ja Sesselpupserbehinderung dazu sagen. Dummerweise kann dem Wort nicht entnommen werden, ob die Behinderung durch Sesselpupser ausgelöst wird oder der Sesselpupser eine spezielle Behinderung darstellt. Da muss ich nochmal drüber nachdenken. Ich habe mich jedenfalls entschieden. Ich lege mich jetzt hin, bevor mir hier noch ein Pups rausrutscht in meinem Sessel.
Der Kern - und diesmal rede ich nicht von Kopf und Kern bei zusammengesetzten Substantiven -, also der Kern dieses ungeheuren Wortes - ich musste erst einmal nachschlagen, ob sich dazu überhaupt etwas im Netz findet - ja, findet sich, sofort ploppen einschlägige Bilder auf mit noch einschlägigeren Fotos, die genau das zeigen, was sich unsereiner darunter vorstellt - -, also der Kern von "Plateauabsatz" ist, ich mache es jetzt ganz kurz und schmerzlos - nein, ausgerechnet schmerzlos ist es nicht -, den Kern dieser Zusammensetzung bildet eine Interjektion, die so treffend, aber leider nicht schmerzfrei ist: aua. Ich habe das genau nachgerechnet. Genau in der Mitte liegt es.
Tut mir leid, dass hat jetzt wirklich gedauert. Ich wollte Zeit schinden, mir was Lustiges einfallen lassen, den Beitrag ungehörig in die Länge ziehen und aus einem mäßig gelungenen Kalauer maximal Profit schlagen. Verzeihung! Verzeihen Sie mir bitte! Das war ungehörig. Noch dazu stammt dies Wort ja gar nicht von mir. Ich habe es auch noch geklaut. Erst geklaut und dann verkalauert. Da steckt übrigens auch jeweils ein au drin. Au, das tut weh. Gib mir jemand einen Dolch, eine Strick. Hört das nie mehr auf? Bitte! Vergebung!
So, jetzt aber einen ordentlichen Niveauabsatz. Haha, verkohlt! Ich kann nicht anders. Es ist Frühling, die Balz, der Kiezneurotiker ist auf der Balz und hat den Standortvorteil. Er ist schuld. Lesen Sie's nach! Da
drüben!
Heute war ich seit gefühlt einem Jahr wieder beim Friseur. Bei dem Friseur, also diesem speziellen, war ich tatsächlich seit mehr als einem Jahr nicht mehr. Das wurde mir dort prompt bei Bezahlung mit auf den Weg gegeben. Wie die das machen? Die haben mich dort in ihrer Kartei. Meine Adresse war falsch, aber das interessierte sie gar nicht. Sie konnte mir aber sagen, dass ich sogar schon einmal von ihr behandelt wurde.
Behandelt. Mich behandelt man beim Friseur, weil ich nicht sagen kann, wie meine Haare werden sollen. Überhaupt kann ich bei Friseuren niemals sagen, wie es sein soll. Ich kann das einfach nicht. Ich kann beim Zahnarzt sagen, welcher Zahn mir weh tut (Zahl) und Röntgenbilder (Karies) auswerten. Ich kann mich mit Handwerkern besprechen, ich kann fachsimpeln mit fast allen Berufsgruppen, mindestens aber Interesse vortäuschen, aber über Haare kann ich nicht sprechen. Auch nicht über Kopfformen, Haarausfall und Schnittmuster.
Meine Unfähigkeit Wünsche zu formulieren führt seit Jahren dazu, dass ich immer den gleichen Haarschnitt trage, der für genau eine Woche gut aussieht und dann herauswächst und nicht mehr gut aussieht. Das ist wie ein furchtbar simples Ersatzteil, das furchtbar teuer ist und dringend in jeder Waschmaschine gebraucht wird, um damit überhaupt irgendetwas außer Abpumpen zu bewerkstelligen. Dieses Ersatzteil ist immer kaputt. Mein Kopf ist dieses Ersatzteil. Die Außenhaut.
Ich wünsche mir eine Zeit, in der Badekappen modern sind, Glatzen oder vollautomatische Friseure, die anhand von Kopfform, Berufsstand und Schuhgröße den bestmöglichen Haarschnitt nicht nur vollautomatisch ermitteln, sondern auch herstellen.
Was ich denn heute noch so Schönes vorhabe, fragt mich die Friseurin während des Haarschnitts. Ich gebe eine ausführliche Antwort, die keinerlei Wunsch nach Gespräch entfacht. Ich weiß nicht, was ich falsch mache, es bleibt nichts übrig, was ihr auch nur ansatzweise das Gefühl vermittelt, dass sie mit mir sprechen kann. Nicht sie ist der Automat, der mit die Haare schneidet; ich bin der Automat, dem sie die Haare schneidet.
Ich kenne das alles: das Vokabular von Fasson bis raspelkurz, von Ohren frei bis Undercut, es hilft nichts. Nicht einmal dass ich Kinder habe, interessiert sie, obwohl sie eine Kugel vor sich her treibt, die nach genau einem solchen aussieht. Ich traue mich nicht, danach zu fragen, vielleicht ist sie ja doch nur dick.
So sitze ich für 10 Minuten auf dem Stuhl und fühle mich nicht verstanden. Fühle mich nach einem Haarschnitt, der nach mir aussieht und alle meine Wünsche, obwohl sie schlecht oder falsch formuliert sind, berücksichtigt, behandelt. Wenn ich den Friseur verlasse, habe ich auf jeden Fall kürzere Haare und irgendwie sehe ich so aus, als sähe ich so aus, wie ich aussehe, wenn ich beim Friseur gewesen bin. Was ist nur los mit mir?
Den letzten, den allerletzten. Bin niemandem mehr einen Schein schuldig. Alles abgegeben. Aus. Finito. Mensagespräche sind ab jetzt gestrichen (außer..., aber das wollen wir mal nicht hoffen).