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Bei den Leisen Tönen. Manchmal braucht es einen Blog, um sich Luft zum Denken zu verschaffen. Keine Steckenpferde, Hobbies oder sonstiges Spezielles, nur Luft zum Denken.

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Astrid Lindgren: Kalle...
Astrid Lindgren: Kalle Blomquist lebt gefährlich, Verlag...
Shhhhh - 28. Mai, 20:30
Fich
mit Michgemüse.
Lo - 2. Jun, 00:20
Er
meinte Fich. ...tennadelsarg. Twodays Beerdigung.
pathologe - 1. Jun, 08:21
Fisch?
Ich riech' nix. ;-)
Lo - 1. Jun, 07:37
Tschüß
...und danke für den Fisch.
Shhhhh - 1. Jun, 06:45

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Auslaufmodell Buch

Dienstag, 3. Mai 2011

Erdöl in Paris

Auf der Suche nach "literarischen Psychopathographien" fand ich neulich beim Durchstöbern der kleinen gelben Bücher beim Antiquar meines Vertrauens einen Band von Jean Giraudoux. Das sagt Ihnen nichts? Doch? Mir sagte das nichts. Nur selten überkommt mich die Lust einen Franzosen ( wahlweise auch mit algerischen Wurzeln ) zu lesen. Das geht meistens nicht gut aus und verdirbt die Stimmung auf Tage. Der Titel jedoch sprach mich sofort an: "Die Irre von Chaillot". Natürlich denkt man bei "literarischen Psychopathographien" an Irre, Verrückte, Entrückte. So ist es auch in der universitären Veranstaltung gleichen Namens. Ständig sind wir im Seminar in Klapsmühlen unterwegs, meist aus Sicht der Zuschauer, manchmal aber auch aus Sicht des Verrückten - Georg Heym ( Der Irre ) soll an dieser Stelle dafür Pate stehen. Was läge da näher, als sich das Büchlein anzusehen?
Gesagt getan. Ein Theaterstück, ausufernd bis in den letzten Winkel. Es sind teilweise so viele Statisten auf der Bühne, dass man sich fragen könnte, wer überhaupt die Hauptrolle spielt? Ein Verwirrstück, wie ein Film mit Louis de Funès. Da geht auch immer alles drunter und drüber. Die Dialoge sind spritzig, witzig und voll von Bos- oder auch Wahrheiten. In Zeiten von Finanzblasen und Politikverdrossenheit gibt es kaum bessere Begleiter. Herrlich auf die Schippe genommen werden hier vor allem die "Makker". Die Makker sind die Lobbyisten, die Spekulanten, die Protektoren und Verwaltungsräte. Makker sind einfach alle, die sich dem reinen Profitdenken verschrieben haben. Die bösen Männer eben. Bei Giraudoux fassen sie den Plan, Paris zu unterhöhlen, um an die Erdölvorkommen heranzukommen. Ob dort tatsächlich welches zu finden ist, ist nebensächlich.
Aber da ist noch die Irre von Chaillot. Sie ist undefiniert alt. Sucht ständig etwas, was sie vor langer Zeit verloren hat oder ihr gestohlen wurde - nur ihren Verstand, den scheint sie nicht zu vermissen. Es wird auch nicht ganz klar, worin ihre Verrücktheit besteht. Vielleicht ist es nur die Tatsache, von den Makkern bisher nichts bemerkt zu haben? Aber das holt sie nach. Sie lässt sich aufklären und schmiedet mit ihren verrückten Freundinnen einen perfiden Plan, die Welt von allen Makkern auf einmal zu befreien. Viel zu durchsichtig kommt die Handlung hier daher. Schon im ersten Akt offenbart sich dem Leser die Lösung. Aber wie schon bei der Menge der Figuren ist das Finale in seiner Wirkung nur Statist. Alles ist Statist oder besser: der Weg ist das Ziel. Der Weg sind endlose kleinteilige Dialoge, sprühend vor Witz und Weisheit. Selbst die Irren - es werden mit der Zeit immer mehr - verlieren sich auf dem Weg zum Finale in Nebenschauplätzen. Da wird über einen Anwesenden gesprochen, den niemand sehen kann. Einer toten Katze wird verboten, sich auf den Schoß von Aurelie - die Irre von Chaillot - zu setzen.
Doch am Ende bekommen die bösen Männer ihr Fett weg. In einem Tunnel mit einer Kreuzung und 6 Sackgassen daran werden sie eingesperrt und verschwinden auf Nimmerwiedersehen. Im "Jahrhundert der Brennstoffe" funktionierte so etwas nur kurzzeitig im Theater, dann wurde das Stück von den Nazis verboten.
In puncto "literarische Psychopathographien" blieb das Stück hinter meinen Erwartungen. Der Titel täuschte. Dafür las es sich jedoch gut in einem weg und entsprach überhaupt nicht dem Bild der schweren Kost, die mir bisher bei den Franzosen untergekommen ist.

Freitag, 15. April 2011

Bibliotheken

Ich kann eines ganz besonders nicht leiden: Präsenzbibliotheken. Man möchte gern ein Buch studieren und die einzige Möglichkeit dies zu tun, ist, in einem muffigen Kellergewölbe hinter Schreibtischen zu hocken. Neben dir sitzen andere Leute, tippen auf Tastaturen ein, atmen laut und ständig laufen andere Verfolgte an dir vorbei, auf der Suche nach einem Buch. Das ist hinlänglich bekannt. Das ist so bekannt, dass es zwei Kopierer bedarf, um den immensen Andrang zu befriedigen, Kopien zu ziehen und sich ganz schnell zu verpissen. Ich habe keine Kopierkarte. Ich benutze immer den fürs Bargeld. Ein Münzeinwurf steht direkt neben dem Gerät und nimmt jede zweite Münze an. Ich hatte nur 1,70 Euro bei mir und musste schon fürs Kopierendürfen jede Menge Nervenstärke aufbringen. Münze reiben, scheiße, durchgefallen, Münze nochmal reiben, ok, 4 Kopien sind drin. Scheiße, ich brauche noch ne Münze. Das Spiel geht so lang, bis die Münzen alle sind. Vom Buch bleibt noch zuviel Text für das bißchen Klimpergeld. Ich gehe meiner Wege, lese ja doch nicht mehr genug davon am heutigen Tag. Dafür kann ich aber bis 22.00 Uhr unter der Woche und sogar am Samstag zum Kopieren kommen, toll.

Dienstag, 12. April 2011

Senecas Thyestes

Seit gestern weiß ich, dass Anthropopophagie der lateinische Fachbegriff für Kannibalismus ist.
Das Drama gibt es in mehreren Übersetzungen, wobei nur wenige davon nicht sperrig sind. Diejenige, die ich gelesen habe, war nicht sperrig. Sie war von Durs Grünbein und ist direkt fürs Theater geschrieben worden. Man sagt Seneca ja immer wieder mal nach, dass seine Dramen reine Lesedramen waren.
Wir haben das Drame im Rahmen eines Seminars behandelt und wie so oft, kam ich auf ganz andere Fragen, die mir wichtig erschienen, als das im Seminar der Fall war. Das liegt wahrscheinlich auch auf dem Fokus, den wir innerhalb der Veranstaltung auf die "Ästhetik des Schrecklichen" legen, anstatt uns mit kleinteiliger Interpretationswut auf jedes Detail zu stürzen. Aber interessant fand ich es schon:
1. Warum heißt das Drama Thyestes? Es geht um Sagenstoff. Bereits Homer berichtete davon. Der Clou jedoch ist, dass nicht Thyestes der Hauptakteur ist, sondern sein Bruder Atreus, der in der Heimkehr seines Bruders Verrat vermutet und deshalb beschließt, ihn vollständig zu vernichten. Natürlich auf subtilere Art, denn durch direkt an ihm verübte Gewalt. Er tötet Thyestes Söhne und serviert sie ihm als Mahl. Das Drama heißt aber Thyestes nach der Leidensfigur und nicht nach dem Bösewicht. Konvention?
2. Wieso hat der dritte Sohn keinen Namen? Wenn der erste nicht Tantalus geheißen hätte - die Ähnlichkeit mit dem Namen des Urahns der Sippe ist ja auch heute keine Seltenheit. Als unbedarfter Leser fiel mir das allerdings auf, weil Tantalus Geist im ersten Akt spricht und mir nicht klar war, dass es sich um zwei verschiedene Personen handelte. Das brachte mich dazu, die Lektüre zu unterbrechen und in der griechischen Mythologie neu einzusteigen, um mir klar zu machen, wer wer ist und warum alle so handeln, wie es hier geschildert wird. Das brachte aber keine neuen Erkenntnisse in Bezug auf den Namen des dritten Kindes. Es gibt sogar Stimmen, die sagen, das dritte Kind sei nur eine Allegorie der ersten beiden und gar nicht wirklich vorhanden gewesen.

Dienstag, 29. März 2011

Scheerbart III

So richtig bin ich nicht draus schlau geworden, aus dem Gelesenen. Das Buch ist durch, keine Geschichten mehr. Stilistisch siedelt das ganze irgendwo zwischen Nonsens-Gedicht und Schelmenroman. Der Zusammenhang ist bis auf die letzten zwei Novelletten in keiner Einzelgeschichte gegeben. Natürlich gibt es wiederkehrende Schemata und auffällig oft Wiederholungen in Redewendungen und Aussagen aber dadurch entsteht keine echte Chronologie. In den letzten beiden Novelletten treten zumindest ähnliche Wesen auf und sie spielen wie eher wenige Geschichten auf der Erde.
Die Protagonisten, also die Außerirdischen - in diesem Erklärungsversuch klingt das Wort wie ein Fremdkörper - sind Wesen von komischer Gestalt. Lange Arme, Kopftrichter - überhaupt sind Gliedmaßen und andere Organe eher Tand, denn einem echten Zweck unterworfen. Genauso verhält es sich mit den Aufgaben, die diese Wesen den ganzen Tag so verrichten. Keine davon ist nützlich, meistens dient sie nur dem besseren Verständnis von Unverständlichem. Überhaupt spielt das Unverständliche eine sehr große Rolle. Alles wird negiert oder relativiert. Weder die Naturgesetze auf den einzelnen Welten noch die dort lebenden Wesen sind in irgend einer Weise an unsere Naturgesetze gebunden. Dafür verfolgen aber fast alle Lebewesen inklusive der Sterne, auf denen sie wohnen, irgendwelche Zwecke aus und egal, was es ist - ist das Ziel erreicht, ist es viel besser als vorher. Dabei wird nicht selten der Zusammenhang aus anfänglichen Sorgen der Bewohner und dem endgültigen Entwicklungsstand vermisst. Was vorher blöd war, ist jetzt einfach nicht mehr wichtig, genannt zu werden.
Wo ich jetzt darüber schreibe, fallen mir ständig neue Sachen ein, die mindestens merkwürdig meistens eher völlig abstrus sind. Ob das das richtige Thema für eine Hausarbeit ist, ich weiß nicht.

Sonntag, 27. März 2011

Scheerbart II

Bisher hatte ich mich nur wenig verstrickt. Mittlerweile bin ich jedoch so in der Materie gefangen, dass ich kaum aufhören möchte. Das liegt sicherlich auch daran, dass ich von der Sekundärliteratur zur Quelle übergewechselt bin. Ich kann gar nicht so genau beschreiben, was Scheerbart mit seinen Astralen Novelletten alles ausdrücken wollte. Alles als Quatsch abzutun erscheint mir zu einfach aber umso intensiver ich mich mit einzelnen Geschichten oder Charakteren auseinandersetze, desto schwieriger wird es, einen Sinn zu erschließen.
"Also sprach der Herr Professor Kienbein zu mir..." das kommt mir irgendwie bekannt vor.

Samstag, 26. März 2011

Paul Scheerbart

Ich hatte mich vor kurzem dazu durchringen können, endlich mit meiner letzten Hausarbeit für dieses Semester anzufangen. Gestern und heute war ich dafür in der Bibliothek und fahndete nach Sekundärliteratur einerseits und einer zitierfähigen Gesamtausgabe andererseits. Ich fand beides - wenn auch sehr spärlich.
Die Gesamtausgabe ist eine Schmuckausgabe, die wohl dem Originaltexten von 1912 folgt, folglich wohl zitierfähig. Die Sekundärliteratur ist ein dreiteiliges Kompendium von fast 2000 Seiten, in dem sich nicht nur Vorworte und Nachreden, sondern auch Aufsätze und Rezensionen tummeln. Ein wahrer Schatz, mein erster Gedanke.
Nachdem ich heute alle ausgeliehenen Bücher gesichtet hatte, muss ich leider sagen, dass kein wahrer Schatz dabei ist. Entweder fehlen Stichwortverzeichnisse oder es mangelt an nachvollziehbarer Ordnung. Das dreibändige Riesenwerk zum Beispiel ist in den Aufsätzen chronologisch geordnet. Das hat den Vorteil, dass es wahrscheinlich reicht, die letzten drei Aufsätze zu lesen. Der Rest ist eh überholt oder wird beipflichtend von den Autoren erwähnt. Wenigstens gibt es ein Werk- und ein Namensregister.
Das Schlimmste jedoch war, dass ich die chronlogische Ordnung natürlich erst bemerkte, als ich bereits viele scheinbar interessante Artikel gelesen hatte. Eine These formte sich in meinem Kopf und nahm Gestalt an. Dann stieß ich eben auf den vorletzten Aufsatz im 2. Band ( der 3. beschäftigt sich fast ausschließlich mit Rezensionen ) und darf wieder von vorn anfangen. Der Autor beschäftigte sich mit einer Fragestellung, die meiner so stark ähnelt, dass mir nichts anderes übrig bliebe als auf Guttenbergs Spuren zu wandeln, wenn ich es bei meiner Fragestellung beließe.
Paul Scheerbart ist kein Vertreter der Science Fiction Literatur, sondern eher das Gegenstück. Das weiß ich jetzt.

Mittwoch, 9. Februar 2011

Buchbesprechung III: Jorge Luis Borges, Adolfo Bioy Casares Band 19: Mord nach Modell

Umberto Eco, ein Autor, den ich seit Jahren immer wieder gern lese, hat in einem Aufsatz - weder Titel noch Fundstelle fallen mir jetzt ein - von den Autoren Borges und Casares gesprochen. Es fielen noch andere Namen, die ich alle kannte. Nur diese beiden kannte ich nicht. Dies war aber bereits die zweite Begegnung mit zumindest einem von den beiden. In einem Seminar vor 2 Jahren haben wir eine Geschichte von Borges behandelt, sozusagen als Einleitung des Seminars. Es ging in dem Seminar um Kriminalliteratur und diese Geschichte war längst kein typisches Beispiel dieses Genre. Ein guter Einstand war es allerdings gerade deshalb und so kam es, wie es kommen musste, eine zweite Empfehlung, dann auch noch durch einen Autor, den ich mag, dann muss ich es auch lesen.
Die 20bändige Reihe im Fischer-Verlag habe ich mir nicht gekauft, sondern erstmal den 19. Band, indem die Geschichten um Don Isidro Parodi enthalten waren ( das rechts abgebildete Buch enspricht dem, ist allerdings im Hanser-Verlag erschienen ), denn um den ging es bei Eco. Parodi ist ein Gefängnisinsasse. Zu Unrecht ist er hineingeraten und fristet dort sein Dasein. Hier wird er von etlichen zwielichtigen Gestalten besucht, die ihm die Kriminalfälle antragen, die er dann zu lösen hat. Bis auf wenige Ausnahmen bestehen die einzelnen Geschichten nur aus wörtlicher Rede, meist reden die Besucher. In überschwenglichem Erzählstil, gespickt mit hunderten von Hinweisen, von denen nur die wenigsten tatsächlich den Fall betreffen, wird dem Leser das Rätsel vorgetragen und die Lösung, anscheinend ganz einfach, wird in wenigen kurzen Sätzen von Parodi abgehandelt. Vieles, ich möchte meinen fast der ganze Kern geht den Geschichten durch die Übersetzung verloren, zumal die wenigen Erläuterungen am Ende des Buches meist wenig dazu beitragen, Klarheit zu verschaffen. Ich war also sozusagen mir selbst überlassen, habe zum Teil ganze Passagen mehrmal lesen müssen, um überhaupt den Sinnzusammenhang herauszufiltern und nicht selten war da nichts ( den Fall betreffend ).
Alles in allem könnte man von einem unbefriedigten Leseerlebnis sprechen. War es aber keineswegs. Auch wenn der Stil nicht dazu einlud, weiterzulesen, habe ich dies gern getan, schon allein der Lösung des Rätsel wegen und am Ende einer Geschichte war ich dann immer überrascht, wie einfach sich die Lösung gestaltete. Mit jeder neuen Geschichte wurde mein Ehrgeiz aufs Neue entfacht, die Lösung ebenfalls herauszulesen. Das war nur ein Vergnügen. Das andere Vergnügen waren die Erzählungen der Besucher an sich, die wenig bis gar nicht darauf zu passen schienen und ständig in weitschweifiger Manier vom eigentlichen Thema ablenkten, einen Zeitbezug zum Argentinien der 30er und 40er Jahre herstellten. Argentinien muss ein Land der Glücksritter gewesen sein. Halunken, Halodris, Betrüger und Flüchtige, die sich dem letzten anständigen Menschen in Argentinien aufzwängen, der außerdem auch noch im Gefängnis sitzt. Manchmal musste ich an Greenes "Reisen mit meiner Tante" denken, wo die Charaktere zwar in Uruguay landen aber nicht weniger zwielichtig sind oder aber an Jean Paul, bei dem auch nur noch gemeinsam mit den Fußnoten auf die zahlreichen Anspielungen und Textverweise Licht ins Dunkel gebracht werden kann.
Insgesamt hat mich das Buch nicht unbedingt angeregt noch mehr von den beiden zu lesen, wahrscheinlich werde ich mich eher auf einen von beiden konzentrieren ( welchen der beiden entscheidet wohl mein Antiquariat ). Von den Parodien der beiden habe ich vorerst genug.

Dienstag, 1. Februar 2011

Die Magie der Referenz

Warum lese oder habe ich genau dieses Buch gelesen? Dafür kann es verschiedenste Gründe geben. Ich habe für mich ein spezielles System entwickelt, was ich seit mehr als 15 Jahren beibehalte und weshalb ich wahrscheinlich zu einer Kategorie von ignoranten und wenig belesenen Spezies gehöre, obwohl ich nach eigener Einschätzung ziemlich viel lese. Ich habe vor langer Zeit einmal Terry Brooks gelesen ( die Shannara-Reihe ), damals haben mir diese Bücher sehr gefallen. Ich wußte damals nicht, dass es sich bei Klappentexten nur um Floskeln handelte und so merkte sich mein Unterbewußtsein die Erwähnung von Tolkiens "Herrn der Ringe". Wahrscheinlich hätte es sich das auch gemerkt, wenn ich gewußt hätte, dass es sich dabei um Werbung handelt aber kurz nach der Wende, als die Fantasy-Abteilung meiner damaligen Lieblingsbibliothek aus weniger als einem Bücherregal bestand, war ich für jeden Hinweis dankbar. Gelesen habe ich Tolkien dann erstmal doch nicht ( woran das lag, wird gleich erläutert ). Ich las mich durch die Bücher von Brooks, gefressen habe ich sie. Dann kam Guin und "Erdsee" ( und wieder der omniöse Hinweis im Klappentext auf Tolkien ). Dann kamen noch andere, und irgendwann kam der dritte und vierte Hinweis und ich musste Tolkien doch lesen. Die Bücher sprachen mich überhaupt nicht an. Keine Drachen auf dem Cover, keine Zauberer, in absolut häßlichem Grün waren die Bücher, mein Lieblingsverlag war das auch nicht gerade: Klett-Cotta ( kannte ich gar nicht, ich las doch nur Goldmann und Heyne ).
Das Ende vom Lied? Ich habe mich überzeugen lassen müssen, war gefesselt vom Anfang bis zum Ende, las dann noch den kleinen Hobbit, dann das Silmardingsbums bis ich alles gelesen hatte und fing dann nochmal von vorn an, mehrere Male. Diesem Prinzip - nur zu lesen, wenn ich davon lese - bin ich treu geblieben, wenn auch mit ein paar Verfeinerungen. Ich lese außerdem noch, was mir in meinen Augen kompetente Leute vorschlagen ( ein paar Professoren heute, sympatische Deutschlehrer früher ). Außerdem lese ich auch, was innerhalb des Spektrums von Gelesenem genannt wird - nicht mehr die Erwähnung des Klappentextes, sondern vom Autor eingebaute Referenz. So kam ich zum Beispiel auf Camus und Hamsun: gehört hatte ich von denen schon öfter aber als ich las, das Chinasky ( Bukowsky wurde mir mehrere Male an anderer Stelle empfohlen ) die beiden ebenfalls mochte, musste ich sie auch lesen. Weder zu Hamsun noch zu Camus konnte ich im ersten Buch einen Zugang finden. Ich musste mich erst durch mehrere Bücher ( bei Hamsun nur Buchanfänge, der war besonders sperrig ) lesen, bis ich gefunden hatte, was ich suchte: die Bestätigung, ein gutes Buch gelesen zu haben, einen guten Rat erhalten zu haben, von jemandem den ich vorher schon schätzte und jetzt noch mehr schätzen konnte.
Manchmal treibt mein Referenzspiel komischte Blüten. So las ich von Huxley nämlich nicht "Schöne neue Welt" zuerst. Von Huxley las ich zuerst "Die Teufel von Loudun". Gelesen hatte ich Huxley nur, weil er bei Wilson und Shea erwähnt wird ( die ganze Historie hier aufzudröseln wäre zu kompliziert aber auf die beiden bin ich auch irgendwie mehrmals gestoßen, das möge man mir glauben ). Dann las ich das "Genie und die Göttin", war hin und weg und habe mittlerweile mehr Bücher von Huxley als von Terry Brooks ( noch nicht gelesen aber sie warten darauf ). Und heute las ich dann zufällig von den Romanfängen, die einen fesseln oder eben nicht und nun wurde mir ein Buch empfohlen von einem Autor, den ich sowieso schon mag. Das Buch steht auch schon bei mir rum seit geraumer Zeit. Ich werde es lesen müssen.
Ein Kreis schließt sich.

Donnerstag, 13. Januar 2011

Das Antiquariat des Vertrauens spielte mir in die Hand: Uwe Brandner: Drei Uhr Angst

Da war ich also gerade auf dem Weg zu einer Verabredung und verpasste die Straßenbahn. Die nächste sollte ich auch verpassen, denn schräg gegenüber der Haltestelle liegt ein kleiner Buchladen, ein Antiquariat. Mein Antiquariat. Hier kaufe ich seit eh und je fast alles, was ich zum Lesen brauche.
Ich ging also kurz vor Ladenschluss noch hinein, der Laden war ordentlich gefüllt und wie immer betrachtete ich lange das Philosophieregal ( hier kaufe ich nie etwas ), bevor ich mich den Romanen im Hardcover und zuletzt den Taschenbüchern widmete.
Meistens gehe ich bestimmte Buchstaben ab, wenn mir ein paar Autorennamen einfallen. Oft gelingt das leider nicht, dann suche ich einfach der Reihe nach die Reihen nach interessanten Büchern ab. Heute war ich besonders schlau und dachte mir - auch wegen dem Gedränge vor den Regalen - mich einfach ein wenig weiter weg zu stellen und zu schauen, ob mir etwas ins Auge springt.
Da sprang es schon. Ein quietschgelber Rücken im Taschenbuchregal für Belletristik. Beim Herausnehmen fuhr die zweite Bahn am Geschäft vorbei - Zeit ein paar Zeilen zu lesen.
Schaurig. Absolut schaurig. Lose Bilder verknüpft durch ein wenig Raumtheorie ( hier als Zimmer bezeichnet ). Ich war hellauf begeistert. Der Anfang hat es bereits so in sich, dass ich kaum in der Lage war, an der richtigen Haltestelle auszusteigen.

Hier ein Schätzchen gefunden auf S. 9:
"Habt ihr auch schon bemerkt, daß die Ursachen im Vergleich zu den Wirkungen oft viel zu unbedeutend sind, als daß sie noch zur Verantwortung gezogen werden könnten? Es scheint so, daß die Wirkungen sich durch Zellteilung selbständig weiterentwickeln."

Montag, 3. Januar 2011

Buchbesprechung II: Hunter S. Thompson: Rum Diary

Bei viel freier Zeit macht man selten, was man muss, dafür jede Menge was man möchte. Mir geht es zumindest so. Ich hätte über die kurze Semesterunterbrechung eigentlich Nietzsches Zarathustra lesen müssen aber die mir entgegengebrachte Sperrigkeit ließ mich viel öfter zu einem anderen Philosophen greifen - dem im Rum ertrinkenden Paul Kemp aus Thompsons Roman „Rum Diary“.
Paul Kemp ist Anfang 30, hat die halbe Welt bereist und die andere Hälfte hat er gut im Blick. Er scheint in vielerlei Hinsicht mit dem Autor zu verschmelzen, Thompson war ebenfalls in Puerto Rico angestellt. Auch das Alter deckt sich ungefähr mit dem, welches Thompson hatte, als er auf Puerto Rico war. Und so kommt man nicht umhin, vieles des Geschilderten als Erlebtes deuten zu wollen und Thompson war niemand, der daraus einen Hehl gemacht hätte. Sein Hang zur Übertreibung scheint die einzige sichere Grenze zwischen Fiktion und Realität – aber was scheint bei Thompson schon sicher?
Kemp ist ein desillusionierter Reporter, der keine Mühe hat, den amerikanischen Hinterhof als solchen zu enttarnen. Neben dem eigenen vergehenden Feuer – schön beschrieben an einem jüngeren Kollegen, von dem es des Öfteren heißt, er sei Kemp sehr ähnlich, als dieser noch jünger war – wird auch das Fieber der Insel sehr treffend gezeichnet. Zwielichtige Gestalten treiben sich auf dieser Insel herum und wollen mit Grundstücksspekulationen und allerlei anderen undurchsichtigen Geschäften ein Stück vom großen Kuchen Puerto Rico abbekommen. Die Schilderungen dieser Gesellschaft erinnern nicht selten an Szenerien aus der Zeit der „New Economy“ oder den Investitionsblasen auf dem amerikanischen Immobilienmarkt – euphorische Gestalten, die sich gegenseitig auf die Schulter klopfen und in aller Stille verschwinden, wenn die Zuckerglasur vom Keks gelutscht ist. Paul Kemp hingegen ist da bescheidener. Auch er profitiert davon, dass die Amerikaner hier groß absahnen wollen, aber er teilt nicht deren große Euphorie. Er hält sich bedeckt, er hat viel zu schnell begriffen, dass er nicht zu denen gehören wird, denen hier das große Geld winkt, weil er dafür einfach zu anständig ist. Also widmet er sich lieber dem Rum, lässt keine Party aus und findet über kurz oder lang eigene Gründe, das sinkende Schiff zu verlassen.
Alles in allem ist die Beschreibung der 60er Jahre Puerto Ricos sehr gut gelungen, auch wenn ich persönlich den Eindruck habe, dass hier nicht unbedingt ein 30jähriger schreibt. Die vorgebrachten Weisheiten sind grundsätzlich pessimistisch, sie treten auch viel offener zu Tage, als es bei „Fear and Loathing in Las Vegas“ der Fall war. Die Verfilmung dieses Romans konnte vieles zeigen, was im Buch nur unterschwellig zur Sprache kam. Auch „Rum Diary“ soll mit Johnny Depp in der Hauptrolle verfilmt werden. Vielleicht kehren sich die Verhältnisse dann um, und die pessimistische Grundstimmung tritt in den Hintergrund – ich würde mir das an manchen Stellen wünschen.

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