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Bei den Leisen Tönen. Manchmal braucht es einen Blog, um sich Luft zum Denken zu verschaffen. Keine Steckenpferde, Hobbies oder sonstiges Spezielles, nur Luft zum Denken.

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Astrid Lindgren: Kalle...
Astrid Lindgren: Kalle Blomquist lebt gefährlich, Verlag...
Shhhhh - 28. Mai, 20:30
Fich
mit Michgemüse.
Lo - 2. Jun, 00:20
Er
meinte Fich. ...tennadelsarg. Twodays Beerdigung.
pathologe - 1. Jun, 08:21
Fisch?
Ich riech' nix. ;-)
Lo - 1. Jun, 07:37
Tschüß
...und danke für den Fisch.
Shhhhh - 1. Jun, 06:45

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Freitag, 7. Februar 2014

Nummer sicher

Am Mittwoch schrieb ich meine letzte Klausur. Und damit meine ich nicht die letzte im Semester, sondern hoffentlich verdammt nochmal die allerletzte Scheißklausur meines Lebens. Es war aber gar keine Scheißklausur. 5 Antworten, nur eine davon sollte richtig sein. Jeder, der einen Führerschein bestanden hat, konnte diese Prüfung auch bestehen.

Im Gegensatz zur Klausur am Vortag ging es tatsächlich pünktlich los, weshalb ich die Erklärungen am Anfang vor dem Einlass nicht ganz mitbekam. Meines Nachnamens wegen musste ich allerdings die Seite wechseln, denn der andere Eingang war meine Tür. Gefühlt standen alle auf der falschen Seite.

Bevor wir jedoch reingehen durften, wurden unsere Studenten- und Personalausweise mit unserem Gesicht abgeglichen. Setzen sollten wir uns nur dort, wo ein weißer Zettel lag. Das war der Teil der Ansage, den ich nicht vernommen hatte, dachte mir das allerdings so. Es gab eine weitere Ansage, die uns die vorletzten Instruktionen einbrachte. Leider saß ich viel zu weit weg, um alles zu verstehen. Aber das Wichtigste verstand ich, nämlich dass ich alles und noch ein paar mehr Hinweise auch auf den ersten zwei Blättern meiner Klausur finden werde.

Und weil das nicht genug Instruktionen sind, gab es am Ende der Klausurblätter eine weitere Instruktion, um uns zu erklären, wie wir die Ergebnisse unserer Arbeit auf einem einzigen Blatt, auf das letzte Blatt, zu übertragen haben, wie wir zu korrigieren haben (dafür gab es eine extra Spalte) und wie wir mit den Zetteln umzugehen haben, wenn wir sie abgeben wollten.

Und wissen Sie was? Es durften nach all den Ansprachen, noch vor Klausurbeginn, sogar noch Fragen gestellt werden. Zum Verfahren, nicht zur Sache natürlich. Und wissen Sie was? Es wurde sogar eine Frage gestellt. Was wir denn ankreuzen sollen, wenn wir etwas nicht wissen, ob wir dann irgendwas ankreuzen sollen. Und der Dozent hatte darauf sogar eine Antwort, die stünde auch in der Anleitung: wenn wir etwas nicht wissen, sollten wir raten, er könne uns dieses Verfahren allerdings nicht für die gesamte Klausur empfehlen. Dieser allerletzte Hinweis stand nicht in den Instruktionen.

Mittwoch, 5. Februar 2014

Gelegenheiten

Ich will eine Erzieherin werden, wenn ich groß bin, sagte mein Sohn gestern Abend zu mir, als ich ihm die Haare nach dem Baden kämmte. Ganz unverfänglich fragte ich dann, und wenn du klein bist?
Ein Pferd.

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Gestern schrieb ich meine vorletzte Klausur. Ich war dermaßen schlecht vorbereitet, dass ich mich ganz nach hinten setzte, um vielleicht noch was beim Nachbarn mitzukriegen. Noch vor dem Beginn allerdings zerstob diese Hoffnung, denn gegen solche Blicke, sagte uns die Dozentin könne ja keiner was, weshalb sie die Fragen der Klausur in unterschiedlichen Reihenfolgen abgedruckt hätte. Wir sollten uns also nicht darauf verlassen, dass unser Nachbar etwas besser wüsste als wir. Scheiße.

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Vor 2 Wochen begegnete mir im Rahmen dieser Vorlesung ein Typ, der vor Monaten einmal vor mir saß und just bei der letzten Sitzung wieder direkt vor mir gesessen hat. Gemerkt habe ich mir das vor allem deshalb, weil er bei meiner ersten Begegnung mit ihm eine Powerpointpräsentation bearbeitete, die sich mit Sprüchen auf den Unitoiletten beschäftigte. Dazu hatte er einen Riesenfundus an Fotos hochgleaden und fügte diese nun seinen soziologischen Ausführungen hinzu. Ich wollte ihn eigentlich danach fragen. Jetzt habe ich die Gelegenheit wohl verpasst.

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Herr Putzig würde gar kein Fernsehen schauen, er bräuchte den Ton nur so zum Hören, sagt er. Er guckt gar nicht hin. Der Ton ist abgestellt.

Freitag, 31. Januar 2014

Fast umsonst

Ich kannte mal eine Opernsängerin. Das heißt Kennen ist vielleicht zu viel gesagt. Ich erwischte sie und ihren Begleiter vor einer steril wirkenden Einbauküche in einem Möbelgeschäft. Alurahmen, die Fronten in weiß/rot, anthrazitfarbene Arbeitsplatte und Elektrogeräten in Aludesign. Der Inbegriff kalter Perfektion. Ich war damals Azubi in diesem Möbelschrank und bis heute ist mir die Lust am Verkaufen geblieben, nur dass ich heute kein Geld mehr damit verdiene.

Diese Frau steht da also mit ihrem Begleiter, der ihr Vater hätte sein können, herum. Ich spreche die beiden an. Wir kommen ins Plaudern. Unversehens sitzen wir an meinem Schreibtisch und planen zusammen ihre Küche. Ich bin aufgeregt. Ich bin dann immer aufgeregt.

Zwei Küchenzeilen stehen sich gegenüber am Ende. Die Spüle und das Kochfeld bilden jeweils das Zentrum, der Kühlschrank ist nicht meine Angelegenheit, der steht separat an einer dritten Wand. Zweitürig, mit Eiswürfelfach, Alu bombiert.

In punkto Symmetrie und Gestaltung habe ich mich selbst übertroffen. Ich weiß, dass ich diese Küche nicht verkaufen werde. Ich sehe die Einzelpreise, ziehe heimlich Bilanz und es ergeben sich wahnsinnige 15.000 DM auf dem Monitor.

Vor meinem Pärchen wiederhole ich alles. Ich sammle jedes „Ja“ ein, dessen ich habhaft werde, ich preise die Optik, erkläre die Geräte, ich gehe auf die besondere Funktionalität ein, die dieses Stück Küche hat. Und dann hole ich zum finalen Schlag aus: „Möchten Sie die Küche so bestellen? Ist in 6 Wochen lieferbar. Montiert und komplett angeschlossen! Sie kostet nur 15 Schleifen“ (Schleifen habe ich nicht gesagt). Sie guckt ihn an: „Machst du das jetzt, ich habe Hunger und muss dringend was essen.“ Er nickt. Mein Herz ist ein Affe.

Sie verabschiedet sich. Wir machen weiter. Der Vertrag läuft auf ihren Namen. Sie ist gerade hierher gezogen, neues Ensemble, neuer Vertrag an der hiesigen Oper. Ich fülle die Verträge aus, sie kommt zurück und unterschreibt, wir verabschieden uns. Schon im Gehen guckt er plötzlich schief, grinst und sagt, dass ich mir gar nicht so viel Mühe hätte geben müssen, er mich aber auch nicht habe unterbrechen wollen, das klang alles so schön. Sie kochen nämlich gar nicht, sondern gehen viel lieber essen.

Dienstag, 28. Januar 2014

In der Steinzeit oder kleine Anatomie des Ohrs

Ich surfe ja gar nicht viel. Hin und wieder mache ich mal eine Seite auf, dann lese ich in irgendwelchen Blogs herum, das Kommentieren habe ich mir gar nicht erst richtig angewöhnt wegen der Wurstigkeit meiner Fingerspitzen. Ich habe einen Vertrag mit einer Miniflatrate (300MB), danach wird gedrosselt. Heute ist immer noch Januar und die Drosselung ist mir eben bekannt gemacht worden. Aufgehoben wird sie am 15.02.2014!

Schuld an dieser Reise zurück in die Steinzeit ist mein Smartphone. Ich kenne mich damit nicht aus. Mein Smartphone weiß das und drangsaliert mich deshalb ständig mit nie zuvor gesehenen Bildschirmmasken, auf denen man Dinge einstellen kann, die nie ein Mensch brauchen wird. Aber eigentlich bin ich auch selbst schuld, ein bisschen zumindest.

Beim Telefonieren, just in dem Augenblick, wo ich nichts weiter will, als in eine Muschel sprechen und aus eben dieser Muschel einen Ton zu hören, komme ich mit meinem Ohrläppchen auf irgendeine nicht existente Taste dieser mir ans Ohr gehaltenen Muschel und das Gespräch ist beendet. Aufgelegt. Nicht dass mein Ohrläppchen (lat. Lobulus auriculae) sonderlich groß wäre, nein, ich gehöre sogar zu der in der Welt rückläufigen und stark in der Minderheit seienden Gattung des angewachsenen Ohrläppchens. Ein Ohrring durch mein Lobulus würde ungefähr so fremd wirken wie ein Vorhängeschloss an einem Brückengeländer. Mein Ohrläppchen kann aber ein Gespräch unterbrechen.

Meine Ohrmuschel (lat. Auricula auris) kann noch mehr. Läuft das Gespräch wider Erwarten doch an, dann komme ich mit der oberen Knorpelmasse (lat. Helix) in einen Bereich des Displays, der für hochsensible Dinge zuständig zu sein scheint. Regelmäßig nach Beendigung eines Gesprächs werde ich der Sache gewahr, jetzt die Zeit in Tokio oder Moskau angezeigt zu bekommen. Oder ich habe plötzlich keine 24 Stundenzeitanzeige mehr, sondern nur noch eine 12-stündige mit Angabe von am und pm. Ich wundere mich darüber nicht mehr. Ich habe mittlerweile gelernt, wo diese Dinge einzustellen sind, damit kann mich mein Smartphone nicht mehr ärgern.

Manchmal kommt mein verlangtes Gespräch aber gar nicht zustande. Dann hat meine Helix den Flugmodus aktiviert. Der Bildschirm sagt mir das aber nicht sofort, nein, er zeigt mir einen minutenlangen Wählzeitraum an, so dass ich das Telefon gezwungener Maßen vom Ohr vor das Gesicht halten muss und umgekehrt und noch einmal und wieder zurück. Das machen sonst nur Hundertjährige, die sich zum Skat verabreden wollen. Die stehen dann an Haltestellen und brüllen: „Hallo? Hallo?“, dann gucken sie auf ihr Display und halten sich ihr Telefon im Flugmodus erneut ans Ohr: „Hallo? Herbert? Ja, ich bin gleich da. Was? Nein! Was, ich kann dich nicht hören, die Straßenbahn…, was? Nein, ja, bis gleich.“ Man selbst befindet sich bei solchen Gesprächen immer mindestens 50 Meter weit weg, also direkt daneben.

Mein Telefon hat rechts drei Tasten. Damit kann man willentlich die Lautstärke des Geräts verstellen. Unwillentlich, also über gewisse Tastenkombinationen, die nur während eines Gesprächs funktionieren, die ich aber nicht kenne, kann man wahlweise das gerade geführte Gespräch oder aber das komplette Internet aufzeichnen. Während ich mich während des Gesprächs der richtigen Lage und Position meiner Ohrmuschelbestandteile versichere und gegebenenfalls die Haltung meines Telefons austariere, komme ich regelmäßig mit meinem Daumen zu nah an diese Tasten. Dann piept es plötzlich und auf dem Display steht dann so etwas wie: Der Speicher ist voll. Toll. Das Gespräch ist beendet, ich habe stattdessen eine Kopie vorliegen, ähnlich dem eben Geschilderten oder eine Kopie des Internets, die sich in irgendeinem Dateiordner jenseits des Regenbogens befindet.

In der Steinzeit hat man zum Zwecke der Fernkommunikation immer ein Wurfgerät dabei und stellte man dieses auf Flugmodus und hatte man denjenigen dann damit am Kopf getroffen, so konnte man sich der uneingeschränkten Aufmerksamkeit sicher sein. Da bin ich also wieder angelangt, in der Steinzeit.

Montag, 27. Januar 2014

Regen auf Raten

Mich plagt seit ein paar Tagen eine leichte Erkältung, die sich ähnlich verhält wie dieses vermaledeite Wetter. Mal ist es saukalt, es schneit wie die Hölle und der Atem gefriert kurz nach dem Verlassen der Mundhöhle und nur wenige Stunden später ist es plötzlich plusgradig, die Sonne scheint und es beginnt überall zu tauen. Ich habe ja nichts gegen Schnee, wir waren Rodeln mit den Kindern. Ich habe meinen Sohn die kleinen Hügel Lindens hinunterstürzen sehen, freihändig, immer bereit den möglichen Sturz abzufangen, den er mit konsequentem Festhalten ebenso verhindern könnte. Ich habe ihn immer wieder den Berg hinauf gezogen, mir war dann auch gar nicht mehr kalt. Die Erkältung war dann wie weggeblasen, es machte sogar Spaß. Und dann das: es taut, es tropft, Matschepampe auf Straßen, Gehwegen und letztlich an den Schuhen, in den Schuhen, durch die Strümpfe, Eiseskälte.

Ich vermisse da eine gewisse Kontinuität und Beständigkeit, ein entweder ist es jetzt vorbei oder ein wir frieren jetzt noch einen Monat lang. Aber diesen Regen auf Raten gepaart mit einer launigen Erkältung, dafür habe ich kein Verständnis.

Freitag, 24. Januar 2014

Klausur, Klappe die Erste

Habe gestern meine erste von 4 Klausuren geschrieben. Mit der ersten Aufgabe begonnen, die wusste ich. Dann habe ich rumgesessen und auf die Blätter meiner Sitznachbarn geschielt.

Es wollte mir partout nichts einfallen. Irgendwann war die Hälfte der Zeit um und ich hatte zu jeder Aufgabe einen ersten Satz geschrieben. Außer bei 1, die wusste ich. Bei Aufgabe 3 zum Beispiel schrieb ich, dass das ES nach Freud die Triebe sind. Wir sollten skizzieren, was das ES bei Freud und bei Parsons sei. Zu Parsons wusste ich nichts. Ich hatte mittlerweile gemerkt, dass die Leute um mich herum auch nichts wussten. Ich wollte schon schreiben: "Bei Parsons ist es etwas anders. Ich weiss nur gerade nicht wie.", als mir noch was einfiel.

Ich schrieb noch jeweils zwei bis drei weitere Sätze zu den verbliebenen Aufgaben und gab dann auf. Es hatte keinen Sinn. Ich schrieb extra undeutlich, um möglichst viel Raum für Interpretation zu lassen. Es war erbärmlich.

Mittwoch, 22. Januar 2014

absurdsten

Ich saß gerade im Auto und fuhr auf den großen Parkplatz der Metro ein, als mich ein Beitrag auf D-Radio Kultur im Auto verharren ließ. Es ging um die neue CD von Jeremy Scahill mit dem Titel „Schmutzige Kriege“. Das 6. Studioalbum des Künstlers wartet mit gut arrangierten, eingängigen Songs auf, eine Mischung aus 60er und 90er Pop. Die Songs handeln unter anderem von Todeslisten, die Obama jeden Dienstag zum Abzeichnen vorgesetzt bekommt oder auch mal von einer Hochzeit im Jemen, bei der zwei schwangere Frauen von Spezialeinheiten erschossen werden. Um eine Aufklärung des Verbrechens zu erschweren, schnitten diese auch noch die Projektile aus den Leichen heraus. Die CD ist bei Lojinx erschienen und kostet 16,49 €.

Gleich im Anschluss wurde das neue Buch von Brendon Banson besprochen. Sein voriger Titel, gut recherchiert und ebenso gut belegt, versammelte schöne Texte und Bilder in sich und auch die Erwartungen an das neue Werk mit dem Titel „You were right“ waren demnach hoch. Zwar konnte Banson seine Kritiker bislang immer überzeugen, allerdings dankte es ihm die Leserschaft nicht so, wie er es verdient hätte. Mehr als die zweite Reihe, trotz einigen Potentials, das ihm der Moderator bescheinigte, würde es wohl auch mit dem neuen Titel nicht werden. Das Buch ist bei Kunstmann erschienen und 29,95 €.

Dazwischen erklang ein Jingle.

Sonntag, 19. Januar 2014

James Thurber

Durch Zufall geriet ich an diesen Kauz, der in einem knallgelben Umschlag steckte, irgendwo in der Humorabteilung der einzigen Bibliothek, die ich kannte. Die Humorabteilung bestand aus genau einem Regal, das fünf oder sechs Fächer hatte mit einer Breite von ca. einem Meter, und dass ich darin James Thurber fand, verdanke ich dem Umstand, dass auf dem Buchrücken, der wie gesagt in einem gelben Schutzumschlag steckt, ein Stern über und unter dem Buchtitel steht. Die Anordnung des Schriftzugs ist waagerecht, für einen Buchrücken nicht gerade üblich, und den Namen und Titel mit Sternen einzufassen auch nicht. Mich erinnerten diese Sterne an drei andere Sterne, an Bücher aus dem gleichen Verlag, Verlag Neues Leben Berlin. Sie stehen allerdings auf dem Cover in einer Art Plakette, die schwarz gehalten und neben den drei Sternen das Attribut „SPANNEND ERZÄHLT“ enthält.

Ich war gerade in der elften Klasse. Ich las, nein ich verschlang Fantasy und Science Fiction in Massen, die nicht gesund sein konnten. Ich las im Unterricht, in den Pausen, im Bus, im Bett, überall. Und dann sollten wir ein Buch vorstellen im Deutschunterricht und mir fiel keines ein. Ich hatte annähernd 30 Bände von Karl May gelesen, ich kannte die Shannara-Reihe, Das Schwarze Auge, Alan Dean Fosters „Die Denkenden Wälder“ hatte ich schon dreimal verschlungen und keines dieser Bücher wollte ich vorstellen. Darauf warteten doch alle, dass ich mich mit so einem Schund lächerlich machte. Nein, das ging nicht. Und dann gab es da einen in der Klasse, der ähnlich uncool war wie ich, ein netter Kerl, ist heute, glaube ich, Apotheker oder sowas, den hörte ich von Kishon sprechen. Er hatte sich ein Buch von dem genommen, hatte gemerkt, dass das alles nur Kurzgeschichten waren und sich davon einfach eine herausgepickt, die er dann vorstellen wollte. Der hatte nicht einmal das ganze Buch gelesen. Das wollte ich auch.

Also ging ich in die Bibliothek und traf in der Humorabteilung James Thurber. Auf der rechten Innenseite des Schutzumschlags ist er abgebildet. Er sieht auf dem Bild ein wenig kränklich aus, er sieht aus, als würde er von zu Hause aus im Büro anrufen und mit verstellter Stimme sich selbst zu sprechen verlangen, und wenn man ihm dann sagte, er wäre nicht da… Ach, lesen Sie es selbst nach. Es gibt ja schließlich auch eine westdeutsche Ausgabe. Die hat sogar zwei Vorworte, eins von einem gewissen Reinhard Lettau und das andere stammt von Thurber selbst und steht auch in der ostdeutschen Ausgabe drin. Ich habe beide Ausgaben, nur so, weil ich sie eben habe. Die westdeutsche ist ein ehemaliges Bibliotheksexemplar, welch Ironie, und die ostdeutsche habe ich in einem Antiquariat irgendwo in der ostdeutschen Provinz erstanden.
Warum erzähle ich das alles? Ich habe gerade „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“ gesehen. Typisch amerikanisches Popcornkino. Ein bisschen Action, ein wenig Romantik, tolle Schauspieler, tolle Dialoge, tolle Bilder, toller Film. Die Geschichte dazu lieferte, haha, James Thurber. Das ist natürlich nicht ganz richtig, denn die Kurzgeschichte liefert einen ganz anderen Walter Mitty, vielleicht den Walter Mitty des Films in ca. 30 Jahren, nach einer langen ermüdenden Ehe mit einem Mann, der einfach mal eben abschaltet und sich in eine Traumwelt verzieht. Die Kurzgeschichte ist viel besser als der Film. Das Buch, „Lachen mit Thurber“, ist grandios, dagegen hat dieser Film, auch wenn er ziemlich gut ist, keine Chance.

Als ich im Unterricht dann dieses Buch vorstellen sollte, musste ich natürlich auch etwas aus dem Buch vorlesen. Ich wählte die Geschichte „Neun Nadeln“ aus, unverfilmbar. Den Vortrag musste ich nach 5 Minuten abbrechen, weil ich mit dem Lachen nicht aufhören konnte. Niemand sonst lachte, das stachelte mich noch mehr an. Ich lachte und lachte. Meine Deutschlehrerin unterbrach mich irgendwann, nachdem ich mehrmals versucht hatte, weiterzulesen. Sie sagte, dass es gut sei, während ich lachte. Ich kicherte den ganzen lieben langen Tag. Immer wieder brach ich in Gelächter aus. Ich saß in einer Unterrichtsstunde und plötzlich musste ich lachen. Auf dem Schulhof, auf dem Nachhauseweg, wenn mir jemand entgegenkam, versuchte ich zumindest die Mundwinkel einzuziehen, ich hielt mein Gesicht fest, als ob ich mir über die frische Rasur streichen wollte, dabei wollte ich nur mein Gesicht festhalten. Ich habe doch gar keinen Bart. Dann musste ich genau daran denken, an den Bart, an die neun Nadeln, an die Rasur, die in der Geschichte so dermaßen schief geht und ich schnaufte mir den Rotz auf den Handrücken vor Lachen, weil ich mir ja den Mund zuhielt. Mir liefen die Tränen, ich wischte sie beiseite und hielt mein Gesicht fest. Ich versuchte alles festzuhalten. Mein Bauch, ich bekam kaum noch Luft, so sehr lachte ich. Dann ging es wieder kurzzeitig, bis zum nächsten Ausbruch.

Ich las nicht nur diese eine Geschichte. Ich lachte bei keiner anderen Geschichte soviel wie bei dieser einen, obwohl da noch andere Lacher drin sind, „Der Admiral auf dem Fahrrad“, „Der Bordstein im Himmel“ oder „Das Geheimnis um den MacBeth Mord“. „Walter Mitty“ hatte ich sogar vergessen, bis der Film in die Kinos kam. Ich las das ganze Buch. Ich habe kein anderes Buch von Thurber gelesen, ich habe mich nie darum bemüht, eins zu finden. An einer Stelle im Film sagt Sean Penn so etwas wie, manchmal betätige er den Auslöser seiner Kamera gar nicht, wenn ihm der Moment so gefällt, wie er ist, also wenn der Moment ihm persönlich gefällt, dann würde die Kamera zu bedienen den Moment nur zerstören.

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Zuletzt aktualisiert: 24. Jul, 02:02

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