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Bei den Leisen Tönen. Manchmal braucht es einen Blog, um sich Luft zum Denken zu verschaffen. Keine Steckenpferde, Hobbies oder sonstiges Spezielles, nur Luft zum Denken.

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Lo - 1. Jun, 07:37
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Shhhhh - 1. Jun, 06:45

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Freitag, 22. Juni 2012

Onlinejournalismus/digitale Medien: Fridtjof Küchemann und Jan Ehlert

Teil 9

Wer spricht? Die FAZ hat Tom Cruise in die Vorlesung „Angewandte Literaturwissenschaft“ geschickt, alias Fridtjof Küchemann von FAZ.net, ein echter Schwiegermuttertyp. Aber das war nicht alles. Am Anfang dachte ich, er hätte einen Besen verschluckt, so kerzengerade saß er da. Trotzdem wirkte das Ganze nicht nur kontrolliert, sondern auch irgendwie lässig – wie ein frischgebackener Leutnant eben.

Meine Assoziation mit Tom Cruise nahm Gestalt an, als er von einem Artikel erzählte, den er für das Feuilleton der FAZ geschrieben hatte. Dieser wurde in „studentischer Runde“¹ heiß diskutiert, wie er dem Plenum erklärte und er meinte damit nichts anderes als eine Redakteurssitzung des Feuilletons bei der FAZ morgens gegen 11.00 Uhr. Die Argumente können banal, witzig oder wohlüberlegt sein, es gibt nur einen Platzhirsch, Frank Schirrmacher, und danach kann jeder, der das Zeug dazu hat, sein Stück vom Kuchen abbekommen, also 3-4 Seiten insgesamt pro FAZ. Herr Küchemann hat das Zeug dazu, selbst aus der banalen Werbekampagne einer wohltätigen Stiftung, die einen „Fernseher“ auf der Oxford Street in London postierte, einen Artikel zu machen. Dreht sich dieser Artikel zufällig um den Kauf eines kleinen Unternehmens, dass sich der Gesichtserkennung im Internet verschrieben hat und zufällig an die Firma verkauft wurde, der das Gesicht heilig ist: Facebook? Das würde ich Atmosphäre nennen! Ich dachte auch deshalb an Tom Cruise, weil es eine dicksche Dystopie namens Minority Report gibt, die mit Tom Cruise erfolgreich² verfilmt wurde und bei der es unter anderem auch um die Problematik der auf Gesichtserkennung basierende, auf den „Konsumenten“ zugeschnitte Werbebotschaften geht, die ihn, Tom Cruise alias John Anderton, letztendlich verraten und zu einer halsbrecherischen Flucht zwingen. Tom Cruise auch deshalb, weil mir dieser durchaus sympathisch ist und mir auch Fridtjof Küchemann sehr sympathisch war. Ich muss im Nachhinein sagen, dass mir viel lieber gewesen wäre, wenn er eine komplette Sitzung für sich gehabt hätte und sie nicht hätte teilen müssen mit Jan Ehlert von NDR-Kultur, der auch dabei gewesen ist aber längst nicht über diese Strahlkraft verfügte.

Wer spricht? Dieses Credo, erläuterte Herr Küchemann, begleitet ihn bereits von Anbeginn seiner Karriere als Journalist. „Cui bono?“ würde wahrscheinlich auch passen und selbst „wen interessiert’s?“ war er sich nicht zu schade zu fragen, indem er den Zeitungsbetrieb in seiner jetzigen Form als ein längst überholtes, ja schon fast widersinniges Unterfangen darstellte: als er nämlich auf die Zukunft der Zeitung zu sprechen kam, redete er von den Prozessen der Zeitungsherstellung und Verwertung wie von einem Ameisenhaufen, den er genau studiert hätte aber leider für ineffizient erklären müsse. Dieser nicht ganz uneigennützigen Selbstkritik Küchemanns folgte dann ein lauter Gedankengang von Alexander Košenina, der sich wunderte, weshalb die Leute überhaupt noch Radio hören. Ob Riepl am Ende Recht hat, wird die Zeit, äh FAZ beweisen müssen. Doch zurück zu seinem selbstbewussten Auftreten, das selbst das eigene Hinterfragen mit ins Kalkül zog: Als ich noch Azubi war und das Unternehmen, in dem ich lernte, anfing, rote Zahlen zu schreiben, kam der Hauptaktionär, der Sohn des Geschäftsgründers, in unsere Filiale und beschwor die Mercedes-Benz-Mentalität in uns. Wir sollten genauso stolz sein, wie ein Mitarbeiter von Mercedes Benz, der mit stolz geschwellter Brust auf die Frage, wo er denn arbeitet, antwortet: ich arbeite bei M. B. (ich kürze das hier mal ab, nicht dass nachher noch jemand denkt, ich bekomme Geld dafür). Genauso sollten wir von unserem Unternehmen reden, stolz sein, auf das, was wir tun und die frohe Botschaft ins Land tragen. Hat alles nichts genutzt, ein anderer hat es gekauft. Worum es mir ging, war die Botschaft, die Fridtjof Küchemann hier verbreitete. „Ich bin bei der FAZ! Ich bin beim Flaggschiff des Printjournalismus! Ich muss mir darauf etwas einbilden, sonst bin ich den Job gar nicht wert!“ Mit jeder Faser verkörperte er diese Marke, identifizierte sich damit, machte sich ihre Argumente zu Eigen, ihre Arbeit. Er ist auch Teil dieser Arbeit, und darauf kann er mit Recht stolz sein, aber das darf man nicht vergessen, wenn man fragt, wer spricht.

Wer spricht? Jan Ehlert. Er produziert Dreiminutenakter über Bücher in zweifacher Ausführung³, gesendet zu einer Zeit, „wo wir alle beschäftigt sind“, wie Dr. Alexander Košenina sagte. Jan Ehlert war Pikenier, durchlief den steinigen Werdegang vom Studenten, zum Volontär, zum Redakteur und schreibt neben seinen gesprochenen Rezensionen noch für Tagesschau.de und andere. Er sieht sich an Nummer 5 von 5 Redakteuren, wenn es darum geht, Buchrezensionen selbst wählen zu können, nimmt also eher, was er kriegt. Da gibt es keine espritlastigen Sitzungen, sondern eher den Gang in das Büro der Vorgesetzten, die stapelweise Arbeit haben, wovon nur wenig wirklich Spaß macht? Naja, so hat er das natürlich nicht gesagt.

Zweieinhalb Minuten, länger sollte es nicht brauchen, um ein Thema zusammenzufassen. Jan Ehlert fühlt sich in der Lage, jedes Thema in diese Zeitspanne zu pressen, gibt aber gerne zu, dass dabei einiges verloren gehen kann. Den Verlust hebt er sich auf, hat ihn sozusagen in der Hinterhand, denn nichts ist schlimmer, als ein Beitrag, der nicht auf zweieinhalb Minuten gepresst worden, sondern tatsächlich nur zweieinhalb Minuten wert ist.

Zweieinhalb Minuten, länger am Stück sprach er selten. Mit Interaktion hatte er es auch nicht so, zumindest nicht mit Fridtjof Küchemann. Auf die Fragen von Dr. Alexander Kosenina antwortete er präziser, nicht so weitschweifig, bescheidener. Leider konnte ich ihn nicht richtig sehen, eine Phalanx von mehr als 18 Studenten saß vor mir, und weil Jan Ehlert ebenfalls saß, blieb er dahinter verborgen. Der ganze Eindruck, den er damit bei mir hinterließ, war geprägt von seinem Wissen um die eigenen Fähigkeiten – bei aller Bescheidenheit. Als die Sitzung dem Ende zuging, ließ er sich dann doch zu dem ein oder anderen Statement hinreißen, wenn sie auch längst nicht so radikal waren, wie das von Fridtjof Küchemann, der die Zeitung ja gleich abbestellen wollte. Seine Prognose ging hin zum Universaljournalisten, der sich überall ein bisschen auskennt und hofft, möglichst selten ohne echten Experten auskommen zu müssen. Bei dieser Beurteilung bliesen sie ins gleiche Horn. Einig waren sie sich auch, was den Vorteil des Internets gegenüber dem Printmedium anging, der ihrer Meinung nach in den Kommentaren zu suchen sei. Leider „zu suchen“, weil längst nicht alles, was dort verfasst wird, tatsächlich Qualität hat. Umso mehr freut es natürlich, wenn einem dadurch neue Sichtweisen aufgezeigt, womöglich Inspirationen für andere Blickwinkel oder neue Artikel geliefert werden. Insgesamt muss ich sagen, dass auch Jan Ehlert eine eigene Sitzung verdient hätte, vielleicht wäre der Rundfunk dann nicht so kurz gekommen. Schön war, dass der Rundfunk überhaupt noch Gehör fand.

Der Text ist ein wenig lang geworden, wie mir scheint. Dabei gäbe es noch einiges zu berichten. Meine Assoziationen sind diesmal ziemlich weit hergeholt, aber dafür kann ich nichts. Die kommen einfach so. Wie das gehen kann mit den irrlichternden Gedankengängen konnte ich während der Stunde übrigens auch sehr gut bei zwei Studentinnen im Plenum beobachten. Nicht selten wurde sowohl von Jan Ehlert als auch Fridtjof Küchemann auf die Metapher „den Fuß in der Tür haben“ verwiesen. Es ging dabei darum, wie sie beide an ihre Jobs gekommen sind. Es dauerte danach nicht lange, da erschien auf dem Bildschirm des Laptops der einen Studentin, plötzlich die Seite eines Verkaufsportals – für Schuhe. Das konnte natürlich Zufall sein...


¹ So kann man sich die Redakteurssitzung bei der FAZ vorstellen, da sitzt ein Haufen Junggebliebener und klärt bei lockerer Atmosphäre, wie die FAZ am nächsten Tag auszusehen hat, so berichtete Fridtjof Küchemann.
² Ein Kassenschlager, mehr meinte ich mit "erfolgreich" nicht.
³ In zweifacher Ausfertigung deshalb, weil die Fassung fürs Internet eine nackte ist, ohne Musik und Firlefanz. Das geht auf die GEMA zurück (das konnte ja nun wirklich keiner ahnen!).

Teil 11

Dienstag, 19. Juni 2012

einfach spitze

Ich kann sie nicht mehr sehen, die Spitzen. Hören kann ich sie auch nicht mehr. Alles spitzt sich zu: Bankenkrise, die Lage am Hindukusch, Teppich-Affären, Syrien, Atomstreit. Was passiert, wenn sich etwas zuspitzt? Eine Spitze bleibt eine Spitze, selbst wenn ich mir eine Mandelbrotmenge anschaue, und eine wachsende Spitze beobachte, so bleibt die Spitze eine Spitze. Stattdessen wächst die Basis. Sie wird breiter und breiter und breiter bis ich sie aus den Augen verlieren muss, um die Spitze im Blick zu behalten. Was wollen uns die Medien also sagen, wenn sie kritzeln, palavern: „es spitzt sich zu“?

Die Spitze ist im Journalismus eine der strapaziertesten Umschreibungen überhaupt, habe ich das Gefühl. Da gibt es ja nicht nur unendliche Zuspitzungen, außerdem gibt es auch noch Spitzenvertreter, Spitzenpolitiker, Spitzensteuersätze. Eine ganz tolle Spitze ist die hier: Spitzenrefinanzierungsfazilität. Die Spitze ist in aller Munde. Auf die Spitze getrieben, zugespitzt formuliert, mit spitzer Zunge vorgetragen bleibt sie trotzdem nur ein nasser Lappen.

Ich für meinen Teil gebe einen Scheiß auf die Spitze und einen Scheiß auf die Basis. Die Medien geben sich keine Mühe, Fakten ins rechte Licht zu rücken. Menschen geben sich keine Mühe, den Subtext, das Zwischenzeilige herauszulesen, wenn es denn etwas gibt, weil alles beherrscht wird von Spitzen. Die Kompliziertheit, die Interdependenzen (erst wenn der Iran Einsicht in sein Atomprogramm gewährt, wird das Ölembargo aufgehoben; erst wenn das Ölembargo aufgehoben wird, könnt ihr vielleicht mal gucken kommen usw.) werden der kurzen Schlagzeile geopfert und selbst in ausführlichsten Reportagen steht die Spitze am Anfang der Berichterstattung. Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man von einer Spitzenzeit sprechen. Das Mantra der Postpostmoderne ist die Zuspitzung, die uns so oft auf Augen und Ohr schlägt, dass sie eher einem Hammer gleicht, denn einer Spitze. Das ist Brechstangenjournalismus; Amplitudendenken. Ich habe Kopfschmerzen.

Entschuldigung. Das musste ich jetzt mal loswerden.

edit: Meine heutiger Google

Montag, 18. Juni 2012

Kissen im Knie

Ich habe seit zwei Wochen einen Airbag im Knie. Genau genommen ist es kein Airbag, denn was drin ist, will ich nicht wissen, aber Luft ist es eher nicht. Bei voller Bewegungsfreiheit und mittlerweile wenig Schmerzen, regt mich das kaum noch auf. Nur heute, als unser neuer Geschirrspüler geliefert wurde, da war mir das Kissen im Knie manchmal im Weg.

Nachdem ich den alten Geschirrspüler gleich entsorgt bekam, machte ich mich in den letzten 3 Stunden daran, das vermaledeite Ding anzuschließen. Wie bei allen Plug&Play Geräten stellt die eigentliche Inbetriebnahme meistens kein Problem dar. Das Problem war das Plug. Ich schaute auf den Anschlussschlauch, drehte ihn fest, ging. Ich nahm den Stecker in die Hand, steckte ihn in die Steckdose, ging. Ich nahm den Ablauf, hielt ihn an den Abfluss, ging nicht. Ich verfüge über ein sorgfältig gehütetes Gummimuffenlager nebst diversen Anschlussvariationen für allerlei wasserführendes Gerät, doch leider besaß ich nichts, womit ich diesen Schlauch dort hätte befestigen können. Die Größe war identisch mit dem Ausgang und das kurze Stück echter Gummischlauch, was dem geriffelten und wenig flexiblen Schlauch voranging, einfach zu kurz, um mehr als nur den üblichen Schraubring darauf zu befestigen.

Als ich mich dessen mehrmals überzeugt hatte, also der Tatsache, nichts weiter als Befestigung benutzen zu können, außer dem besagten Schraubring, versuchte ich es einfach so und übergab mein Schicksal dem Lauf des Vorspülprogramms. Vorausschauend wie ich nun mal bin, habe ich dafür extra den Spülenschrank ausgeräumt. Das Handtuch für eventuelle Malheurs bewahrte ich in einem Schrank auf, der weit genug weg stand, um beim Eintreffen etwaiger Wassermassen echte Panik auszulösen. Von der Panik machte ich nach ca. 7 Minuten intensiven Gebrauch, als der Schlauch vom Abflussrohr riss und das gotzeidank klare Wasser mit einem kleinen Plopp aus dem freiliegenden – nein frei schwenkenden – Schlauch spritzte. Auf den Spülenschrankboden, in die Steckdosenleiste, auf den Fußboden, hinter die Schränke. Bis ich soweit war, den Schlauch unter Kontrolle zu bringen, waren ca. 3,5 Liter in der Küche verteilt. Den halben Liter, der noch übrig blieb – denn das Vorspülprogramm verbraucht exakt 4 Liter Wasser, wie mir die Bedienungsanleitung später mitteilte – fing ich mit der Blumengießkanne auf, die zufällig in der Nähe stand.

Nachdem alles wieder trocken war, berief ich mich auf den ältesten Trick, des ungelernten Klempners: schneide ein Stück Schlauch ab, vorsorglich am Ende, und verlängere ihn dann um das gewünschte Maß. Verlängern wollte ich nicht, aber das Gummiende des Schlauches schien keiner weiteren Belastungsprobe standzuhalten. Demzufolge musste ich das starre Stück Riffelschlauch mit irgendwas verbinden. Ich fand etwas in meinem Muffenlager, was passen könnte und knipperte es mithilfe einer Schlauchklemme daran feste. Dann versuchte ich mein Glück wieder mit dem Schlauchring und siehe da: es passte. Das Vorspülprogramm tat seinen zweiten Dienst und der Schlauch hielt. Ich war so stolz.

Jetzt läuft das Schnellprogamm, 11,5 Liter. Ich sitze jetzt am Rechner und tippe. Jedesmal, wenn ein röcheln erklingt, stratze ich in die Küche zurück und schaue nach dem Schlauch. Das Knie habe ich jetzt total vergessen, aber das Kissen ist noch da und ist manchmal im Weg.

Samstag, 16. Juni 2012

Arbeitsgrammatik

Heute Morgen um 7 fuhr ich nicht den gewohnten Weg entlang der Leine ins Theater, sondern, weil ich in einer anderen Gewohnheit drin war, einen anderen Weg. Es war aber auch nichts wie gewöhnlich und doch hat sich der Tag nicht unbedingt von anderen Arbeitstagen unterschieden. Komische Sache.

Das ging schon damit los, dass ich eine Viertelstunde zu früh da war. Der Weg am Leineufer entlang, vorbei am verschlafenen Ihmezentrum, durch die Holperstraße an der Glocksee mit ihren ewig neu entstehenden Graffitis, über die Straße, in der Karl Koch gewohnt hatte, ist nämlich nicht der direkteste aber der schönere Arbeitsweg. Heute fuhr ich über die Dornrößchenbrücke auf dem anderen Ufer, bog unter dem Schnellweg nicht ab in Richtung Glockseebahnhof, um ans Ufer zurück zu kommen, sondern fuhr die Skulpturenmeile entlang, die sich dem Königsworther Platz anschließt. Links stapeln sich die Legosteinchen, erst Contihochhaus, dann das Allianzgebäude und das Arbeitsamt. Rechts, wo ich unterwegs war, stehen ein paar ältere Stadtvillen hinter der massiven Rundung des Gewerkschaftshauses, bis sich ebenfalls ein paar Klötzer in den Blick schieben. Am Clevertor, fuhr ich bei Grün über die Ampel. An der Brücke über die Leine, schräg gegenüber der einzigen katholischen Kirche im alten Stadtkern Hannover, früher notwendig für die Kur, heute wohl eher Kür, fuhr ich bei Rot. Bis auf die wenigen Flohmarktbetreiber waren weder Menschen und erst recht keine Fahrzeuge unterwegs.

Als ich ankam, gab es bereits Kaffee und alle Kollegen waren schon da. Ungewöhnlich. Wir starteten auch nicht um zehn nach 7 wie üblich, sondern erst gegen 8. Auf die Frage, was wir denn zu tun hätten, gab es eine blumige Antwort, die besagte, dass es wohl nicht so viel sei. Weshalb wir da waren, also insgesamt drei Aushilfen, blieb rätselhaft. Auf dem Ballhof 1 angekommen – der Ballhof 2 schien fertig aufgebaut zu sein und aus nichts weiter als einem schwarzen Tanzboden zu bestehen, auf dem ein paar Scheinwerfer und Boxen standen – erwarteten uns drei Züge, an die wir mit hundert Schleifen drei weiße Vorhänge festzurrten. Dann kamen die Tontechniker und die Lichttechnik und die Requisite. Die Requisite war wohl ein Versehen, denn es wurde mir sehr schnell klar, dass nicht nur oben auf dem Ballhof 2, sondern auch unten auf der Hauptbühne nur getanzt werden würde. Und wo getanzt wird, gibt es Kulissen und Requisite in überschaubarer Zahl. Wir gingen deshalb kurze Zeit später wieder nach oben und frühstückten ausgiebig. Dann war ich zufällig gerade nicht da, als drei von uns – die beiden anderen Aushilfen waren dabei – abgeordert wurden. Ich blieb oben sitzen und betrachtete die Uhr, die wegen Batterieschwäche immer langsamer fortkroch. Zum Frühstück ging sie gerade einmal 10 Minuten nach, und ich vermutete, dass das einfach deshalb so war, weil das Frühstück ja auf der Bühne ausgerufen aber im Pausenraum beendet wurde, also 10 Minuten mehr Zeit zum Frühstücken blieb. Als es dann allerdings auf 12 zuging und die Uhr erst bei Viertel nach 11 stand, musste ich meine Theorie wieder verwerfen.

Gegen 1 rief ich einen Kumpel an, der den Dienstplan vor Augen hatte und mir sagte, dass wir nur bis 12 gebucht worden waren, da kam dann endlich ein weiterer Marschbefehl. Wir gingen nach unten, rollten 5 weiße Böden aus und nagelten und klebten die Kanten ab. Um 14 Uhr, als es nur noch darum ging, mit ein paar Bändern die Leinwand zu fixieren, fuhr ich nach Hause, total geschafft vom vielen Rumsitzen. Als ich mir das Geschriebene eben noch einmal durchlas, um eine abschließende, treffende Beschreibung des heutigen Arbeitstages abzugeben, fiel mir nicht s weiter ein, als der zweite Satz im zweiten Absatz. Er steht da mitten drin und eigentlich ist er nicht so wichtig, in seiner Struktur aber sehr ähnlich dem heutigen Schaffen: Hauptsatz ohne Prädikat und dann eine ewige Litanei, bis dann am Ende des langen Einschubs das für den Hauptsatz wichtige Verb kommt, aber eigentlich gar nichts passiert ist.

Freitag, 15. Juni 2012

idenken

Neben mir sitzt ein Typ und telefoniert über Kopfhörer und Mikrofon. In der rechten Hand hält er einen Stift und schreibt hin und wieder etwas auf ein weißes Blatt Papier. Die linke Hand huscht über ein Touchpad seines aufgeschlagenen Laptops und bewegt auf dem Bildschirm Dinge, die ich von hier aus nicht sehen kann.

Als er fertig ist mit telefonieren, legt er den Stift beiseite und tippt mit beiden Händen auf der Tastatur herum.

Als er vorhin hereinkam, unterhielt er sich kurz mit der Bedienung. Dabei fiel neben anderen Sätzen auch dieser eine, der mir im Gedächtnis blieb: „…Mit Musik lässt sich einfach kein Geld mehr verdienen…“. Ich dachte an das Urheberrecht, an die Inflation, an arme Musiker, die sich die Saiten einer Gitarre vom Munde absparen. Ich dachte er sei Musiker.

Neben mir sitzt also dieser Typ, haut in die Tasten seines Macbooks, das iPhone liegt neben ihm auf dem Tisch, das iPad auf dem Stuhl rechts von ihm, und ich denke gar nichts. Das ist nicht einfach zu beschreiben.

Donnerstag, 14. Juni 2012

Editoren an Wissenschaftsakademien: Dr. Monika Meier und Prof. Dr. Wenchao Li

Teil 8

Edieren ist von außen betrachtet eine komische Angelegenheit. Da werden lose Blätter zu einem Nachlass sortiert und dann zu Akten gebündelt, die dann in Regale gestellt werden, um die man ein Gebäude baut, das dann von Leuten besucht wird, die an die Regale gehen, die Akten entnehmen, diese transkribieren, vielleicht die einzelnen Blätter neu sortieren und ein Buch dazu verfassen, das in ein Regal gestellt wird, um das ein Gebäude gebaut wird, das dann von Leuten besucht wird, die an die Regale gehen, die Bücher entnehmen, in andere Gebäude gehen und dort Akten aus anderen Regalen nehmen – weil sie es sehr genau nehmen – um ihre dazu gemachten Notizen in einem Buch niederzuschreiben, das zu anderen Büchern in ein Regal gestellt wird, um das man ein Gebäude baut, das dann von Leuten wie mich besucht wird, die vor einem Regal mit 1000 handschriftlich verfassten Akten von Leibniz stehen und beeindruckt sind, oder in ein anderes Gebäude gehen und vor einem Regal stehen, in dem 850seitige 10bändige Leibnizeditionen stehen und beeindruckt sind oder in ein anderes Gebäude gehen und vor einem Regal stehen, das 1000 Bücher enthält, die den gesamten Stand der Leibnizforschung enthalten und beeindruckt sind und sich dann plötzlich fragen, wer war denn dieser Leibniz überhaupt?*



*Dieser Text ist einem schwarzen Notizbuch entnommen, welches insgesamt drei Entwürfe dieser Textfassung enthielt. Nach der Datierung des Verfassers zu urteilen, entstand diese endgültige Fassung am 14.06.2012 irgendwann am Vormittag. Es handelt sich dabei um einen Text, der Bezug nimmt auf die Vorlesung „Angewandte Literaturwissenschaft“, die am 13.06.2012 stattfand und das Thema „Editoren an Wissenschaftsakademien“ hatte. Der Vorlesung wohnten bei: als Hauptverantwortlicher Prof. Dr. Alexander Košenina, als Gastdozenten Dr. Monika Meier und Prof. Dr. Wenchao Li sowie 18 nicht näher beschriebene Zuhörer.


edit: Ich wurde angehalten, meine "Polemik" ein wenig verständlicher zu gestalten, da der Eindruck entstehen könnte, dass ich die Arbeit der Editoren nicht zu würdigen weiß. Im Gegensatz zu den restlichen 57 eingetragenen Teilnehmern der Veranstaltung, die nicht an dieser Sitzung teilnahmen, war ich sehr wohl anwesend; den Vorwurf möchte ich deshalb so nicht stehen lassen. Das vehemente Plädoyer von Dr. Wenchao Li gegen die "schnelle" Evaluation, dieser allgemeine Kontrollzwang, der insbesondere an den Universitäten und Forschungseinrichtungen überhand nimmt, machte mich betroffen, betrifft mich längst, auch wenn Dr. Alexander Košenina keine Anwesenheitslisten ( die letzte Instanz der Kontrolle ) herumreicht.
Den Rest lasse ich jetzt einfach unkommentiert stehen, dazu kann sich jeder seine eigenen Gedanken machen.

Teil 10

Dienstag, 12. Juni 2012

Schnabulieren? Aber nicht in der Oper!

Schnabulieren. Davon las ich heute, als ich bei der Hörbar auf einen Kaffee einzog. Auf einer Tafel zur Limmerstraße hin zugewandt stand das Wort einfach so rum und sollte Appetit machen auf die darunter beschriebenen Speisen.

Das ist schon so ein Wort dieses schnabulieren. Eine Kombination von sch und n ist noch relativ häufig, so wie Konsonantencluster im Deutschen sowieso recht häufig zu sein scheinen. Konsonantencluster sind mehr als zwei Konsonanten hintereinander ohne einen Vokal dazwischen. Wenn Konsonantencluster erstmal da sind, gehen sie auch nicht mehr so leicht weg. Das wohl berühmteste Cluster hat der Strumpf. Das Wort Strumpf hat nämlich vorn und hinten ein Konsonantencluster. Vorne wird ein s zum sch, dann kommt ein t und zum Schluss noch ein r bis endlich sonoriert werden kann. Die stille Übereinkunft von s und t, als scht ausgesprochen zu werden, könnte, wenn man es nicht besser wüsste, aus der Oper kommen. Da sitzen zwei Herren in der dritten Reihe und fangen plötzlich eine lebhafte Diskussion über Konsonantencluster an, während sich das übrige Publikum doch lieber dem Geschehen auf der Bühne widmen möchte. Oder noch besser: Eine Frau fängt an, ihre Suppe zu schnabulieren, die sie sich in der Handtasche mitgebracht hat. Dabei macht sie laut schmatzende Geräusche. Dann fliegt ein erbostes scht durch die Stuhlreihen und die beiden Herren oder die Frau vertagen sich – das ist völlig legitim. Die Oper lebt ja praktisch von dieser stillen Vereinbarung.

Schnabulieren ist nicht nur wegen des Konsonantenclusters interessant, sondern auch, weil es in mir ganz bestimmte Assoziationen weckt. Für mich ist schnabulieren die mindestens außergewöhnliche Form der Nahrungsaufnahme, vielleicht mit einem Hauch von Exklusivität für die Speise. So ähnlich steht es auch im etymologischen Wörterbuch. Dass schnabulieren mit schnappen verwandt ist, wusste ich bis dahin nicht. Und außerdem wurden all diese gemeinsamen Wurzelworte ( also schnappen, Schnaps, Schnepfe usw. ) auch nur mit sn geschrieben. Da taucht kein sch auf. Demzufolge scheint das s nicht nur eine stille Vereinbarung mit dem n gehabt zu haben, sondern wurde auch gleich noch zu schn verarbeitet. Es gibt im Deutschen übrigens gar kein Wort mehr, das noch mit sn anfängt, es steht zumindest keins im Duden ( Snob und Snowboard will ich hier nicht hinzuzählen, das sind eindeutig Lehnwörter ). Sn wurde also zu schn.

Man stelle sich einmal vor, st würde zu scht. Wir müssten dann Schtuhl schreiben oder Schtadtschparkasse. Oder lieber doch nicht, das ginge zu weit.

Montag, 11. Juni 2012

Schon wieder eingedeutscht

Ist bei mir ja schon eine Weile her, die Schule, aber erinnern kann ich mich an ein paar Details trotzdem noch. Ich kann mich zum Beispiel daran erinnern, dass ich im Topographieunterricht eine besonders große Leuchte war. Gab es irgendwo ein Land auf der Erde, ich wußte die Hauptstadt. Hörte ich den Namen eines deutschen Mittelgebirges, ich kannte die höchste Erhebung darin, die längsten Flüsse, Wüsten, Meere usw. Ich hatte da ein Köpfchen für.

Seitdem ist viel passiert, Länder wie Zaire gab es noch, Eritrea war noch nicht unabhängig und überhaupt hat sich so einiges verändert. Man spricht heute so einiges anders aus, als früher. Als ich noch in die Schule ging, sagte man nämlich noch das eingedeutschte Peking anstatt Beijin ( ich übernehme hier keine IPA Lautschrift, sondern einfach die Buchstaben, die mir bei der heutigen Sprechweise so einfallen ). Spätestens seit den olympischen Spielen dort, ich vermute aber schon früher, schlug die Aussprache der chinesischen Hauptstadt um von der eingedeutschten Variante Peking zum wohl mehr landessprachlichen Bejin. Kein Problem, solche kleine Änderungen bekomme ich sehr schnell in meinen Kopf und wegen der Besonderheit bleiben sie meistens sogar darin. Es gibt ja auch ein englischsprachiges Lied, wo es um 100.000 Fahrräder geht oder so ähnlich, die Sängerin singt auch Beijin.

Ein anderes Detail fällt mir seit ein paar Tagen auf, genauer gesagt seit Beginn der Fussballeuropameisterschaft. Zu meiner Schulzeit war es nicht nur verpönt, sondern wurde schlicht mit falsch bewertet, wenn wir Danzig oder Posen sagten. Die Städte hießen Gdańsk und Poznań. Und heute: da fällt keinem Sprecher der ARD oder ZDF auch nur im entferntesten ein, die polnischen oder ukrainischen Namen der Städte zu nennen.

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