Birne weg
„Können Sie mir sagen, wie ich zum Birnenweg komme?“ „Sie“ hatte sie gesagt und meinte mich damit.
„Birnenweg? Der muss hier irgendwo sein, keine Ahnung wo“, so sprach ich wohl und zeigte nach Überall.
„Danke“, hörte ich sie noch sagen, bevor die Frau weiterstapfte im Obst- und Blumendorf. Das „Sie“ wanderte mit meinen Augen zusammen an mir herab, musterte mich von oben nach unten, drehte kurz vor dem Straßenbelag bei und verschwand irgendwo in Richtung Geradeaus hinter einer Hecke. Ich ging nämlich gerade von der Schule nach Hause, da gab es viele Hecken.
Mindestens zweimal am Tag lief ich durch die Reihenhaussiedlung Alt-Reform, weil sonst nur ein Umweg von mehreren hundert Metern zu meiner Schule führte, die ich ab der 7. Klasse besuchte. Umwege sind aber was für trödelnde Gedanken und ich war Schnelldenker und ich ging auch so – immer ein Ziel vor Augen, mit großen ausgreifenden Schritten. Ich teilte die Strecke in kleine Häppchen und legte am Ende eines Happens, also bei jeder zweiten Biegung, immer eine Schippe Kohlen nach. Mit genügend Hackengas konnte ich die Strecke von 20 Gehminuten auf 12 zusammenschmelzen, dafür musste ich aber in den Kurven in Schräglage gehen, wie dieser Tankstellenverkäufer, der immer so schneidig um die Regale kurvte und uns in der Spätjugendphase, vorzugsweise Samstag- oder Freitagnacht gegen halb drei, in der Tankstelle am Westring bediente. Es kam schon mal vor, dass wir alle hintereinander einzeln bestellten, nur um den Michael Schuhmacher der Tankstellenverkäufer möglichst oft nach einem Bier flitzen zu sehen. Er war nicht auf der Arbeit, er war auf Flucht. Naja, vielleicht war er doch kein Schumi, der Tankstellentyp trug nämlich eine Brille. Und die rutschte ihm zu allem Überfluss auch noch ständig von der fliehenden Nase.
Am schnellsten aber war ich bei meinen Schlussfolgerungen. Ich schloss daraus, dass ich im Dahlienweg wohnte und es außerdem einen Nelkenweg und einen Lilienweg in der Gartenstadt gab, es auch einen Birnenweg geben musste. So ähnlich habe ich es der Frau zu erklären versucht, glaube ich.
Jahre vergingen. Ich brachte ein wenig Ruhe in meine Gedanken und ließ den Blick vor allem in der Schule schweifen. Auch auf dem Nachhauseweg war ich längst nicht mehr so schnell wie früher und so kam mir irgendwann ein Straßenschild unter, auf dem stand doch tatsächlich Birnenweg. Er lag im dritten Häppchen von Zuhause aus gerechnet. Niemand, den ich kannte, wohnte da.
6 Jahre lang bin ich fast jeden Tag durch diesen Weg gegangen, ohne dass mir das aufgefallen war. Das konnte aber wirklich niemand ahnen, es stand ja nur ein Birnbaum in der Straße. Ich legte daraufhin beschämt den Turbo ein und verfing mich in Schräglage in einer ausufernden Heckenlandschaft am Knick des Weges. Heute steht da keine Birne mehr, nur noch ein Auto in der Auffahrt, manchmal.
„Birnenweg? Der muss hier irgendwo sein, keine Ahnung wo“, so sprach ich wohl und zeigte nach Überall.
„Danke“, hörte ich sie noch sagen, bevor die Frau weiterstapfte im Obst- und Blumendorf. Das „Sie“ wanderte mit meinen Augen zusammen an mir herab, musterte mich von oben nach unten, drehte kurz vor dem Straßenbelag bei und verschwand irgendwo in Richtung Geradeaus hinter einer Hecke. Ich ging nämlich gerade von der Schule nach Hause, da gab es viele Hecken.
Mindestens zweimal am Tag lief ich durch die Reihenhaussiedlung Alt-Reform, weil sonst nur ein Umweg von mehreren hundert Metern zu meiner Schule führte, die ich ab der 7. Klasse besuchte. Umwege sind aber was für trödelnde Gedanken und ich war Schnelldenker und ich ging auch so – immer ein Ziel vor Augen, mit großen ausgreifenden Schritten. Ich teilte die Strecke in kleine Häppchen und legte am Ende eines Happens, also bei jeder zweiten Biegung, immer eine Schippe Kohlen nach. Mit genügend Hackengas konnte ich die Strecke von 20 Gehminuten auf 12 zusammenschmelzen, dafür musste ich aber in den Kurven in Schräglage gehen, wie dieser Tankstellenverkäufer, der immer so schneidig um die Regale kurvte und uns in der Spätjugendphase, vorzugsweise Samstag- oder Freitagnacht gegen halb drei, in der Tankstelle am Westring bediente. Es kam schon mal vor, dass wir alle hintereinander einzeln bestellten, nur um den Michael Schuhmacher der Tankstellenverkäufer möglichst oft nach einem Bier flitzen zu sehen. Er war nicht auf der Arbeit, er war auf Flucht. Naja, vielleicht war er doch kein Schumi, der Tankstellentyp trug nämlich eine Brille. Und die rutschte ihm zu allem Überfluss auch noch ständig von der fliehenden Nase.
Am schnellsten aber war ich bei meinen Schlussfolgerungen. Ich schloss daraus, dass ich im Dahlienweg wohnte und es außerdem einen Nelkenweg und einen Lilienweg in der Gartenstadt gab, es auch einen Birnenweg geben musste. So ähnlich habe ich es der Frau zu erklären versucht, glaube ich.
Jahre vergingen. Ich brachte ein wenig Ruhe in meine Gedanken und ließ den Blick vor allem in der Schule schweifen. Auch auf dem Nachhauseweg war ich längst nicht mehr so schnell wie früher und so kam mir irgendwann ein Straßenschild unter, auf dem stand doch tatsächlich Birnenweg. Er lag im dritten Häppchen von Zuhause aus gerechnet. Niemand, den ich kannte, wohnte da.
6 Jahre lang bin ich fast jeden Tag durch diesen Weg gegangen, ohne dass mir das aufgefallen war. Das konnte aber wirklich niemand ahnen, es stand ja nur ein Birnbaum in der Straße. Ich legte daraufhin beschämt den Turbo ein und verfing mich in Schräglage in einer ausufernden Heckenlandschaft am Knick des Weges. Heute steht da keine Birne mehr, nur noch ein Auto in der Auffahrt, manchmal.
Shhhhh - 10. Apr, 19:31